Stefanie Erjautz
Österr. Künstlerin u. Kunsthandwerkerin, 1932–2019
Stefanie Erjautz führt ihr künstlerisches Talent auf ihren Vater, Thomas Köhler, zurück. 1903 als unehelicher Sohn einer Magd geboren, hatte er nie eine Schulbildung genossen, sondern wurde als Kind an einen Bauernhof in Semriach „verschenkt“. Er arbeitete als Viehhüter, Pechölkrämer oder Gelegenheitsarbeiter und legte großes handwerkliches Geschick an den Tag. Viele seiner kunsthandwerklichen Arbeiten verkaufte er an das Steirische Heimatwerk, als dieses noch zum Volkskundemuseum gehörte.
Als junges Mädchen durfte Stefanie Erjautz ihren Vater öfters nach Graz ins „Stöckl“ begleiten, wie das Nebengebäude des Volkskundemuseums genannt wurde, in dem das Heimatwerk seinerzeit untergebracht war. Im Museum empfand sie eine heimelige Stimmung und erfreute sich an den ausgestellten Zeugnissen einer vergangenen bäuerlichen Kultur. Als sich Stefanie Erjautz viele Jahre später um eine Stelle als Putzfrau am Museum bewarb, wurde sie als die Tochter ihres Vaters, der vielen noch in Erinnerung war, sofort aufgenommen.
Stefanie Erjautz wurde am 26. Dezember 1932 in Schrems bei Frohnleiten geboren. Schon früh zeigte sich ihr künstlerisches Talent. Nach der achtjährigen Volksschulzeit erlitt sie eine Blinddarmentzündung, die im Spital der Barmherzigen Schwestern in Graz behandelt wurde. Hier entstand ihr Wunsch, Krankenschwester zu werden. Ihre Ausbildung machte sie von 1948 bis 1950 in Klagenfurt und arbeitete als Hauskrankenpflegerin in St. Veit a. d. Glan, Klagenfurt und Küsnacht. 1960 gebar sie ihren ersten Sohn und wurde Arbeiterin in einer Strumpffabrik in Bregenz.
Nach einiger Zeit zog sie zurück in die Steiermark, um ihren Sohn in der Obhut ihrer Mutter zu lassen und eine Arbeit als Rotkreuzschwester in Feldbach anzunehmen. 1963 heiratete sie Josef Erjautz und gründete einen eigenen Hausstand. Den beiden unehelichen Kindern – der Ehemann hatte eine Tochter – folgten 1966 und 1969 zwei gemeinsame Söhne. Die Ehe ging nach einigen Jahren in die Brüche, sodass Stefanie Erjautz mit 48 Jahren ein neues Leben für sich und ihre Kinder aufbauen musste. 17 Jahre arbeitete sie als Putzfrau im Heimatwerk und später im Volkskundemuseum.
In ihrer Freizeit stellte sie Figuren aus verschiedenen Textilien her, die das Steirische Heimatwerk als kunsthandwerkliche Besonderheit verkaufte. Zunächst waren dies Trachtenpuppen, Märchenfiguren oder bestellte Porträts, die sie nach Fotos anfertigte.
1982 übersiedelte sie in Ausübung ihrer Dienste als Messnerin der Antoniuskirche in die kleine Messnerwohnung im Museum. Gemeinsam mit ihren Söhnen legte Stefanie Erjautz hinter ihrer Wohnung einen zauberhaften kleinen Garten an und schuf hier ihre eigene friedliche Welt. Mit der Trennung vom Heimatwerk aufgrund ihrer Pensionierung konnte sie sich in ihrer künstlerischen Arbeit frei entfalten. Seither dringen die kritischen Aussagen ihrer Arbeiten nicht mehr nur zwischen den Zeilen durch. Ihre Milieustudien geben Einblick in die menschliche Psyche und in die Rituale des Alltags. Mit tiefem Verständnis und hintersinnigem Humor berichten sie von den Menschen, denen Erfolg und Glück nicht in die Wiege gelegt wurden.
(Biografie: Joanneum Graz Volkskundemuseum)
Foto: © Jochen Hahne