
Das Nilpferd
Eine Fabel
Marie von Ebner-Eschenbach, Michaela Weiss
ISBN: 978-3-99028-191-8
22×28 cm, [32] Seiten, zahlr. farb. Abb., Hardcover
20,00 €
Momentan nicht lieferbar
Kurzbeschreibung
Eine Raupe legt sich einmal – Abwechslung ist gut, dachte sie – zu ihrer Einpuppung in die Haut eines Nilpferdes. Was da geschah, weiß man nicht, und es wird auch niemals erforscht werden, aber statt eines ganzen Schmetterlings krochen nur ein paar große, herrliche Schmetterlingsflügel aus; sie hatten einen purpurnen Saum und bewegten sich zierlich beim geringsten Luftzug und schimmerten im Sonnenschein wie Kolibrigefieder.
Ein anderes Nilpferd bemerkte die seltsame Erscheinung auf dem Rücken des Genossen und sagte: „Du hast ja Flügel.“
[Mit Ill. von Michaela Weiss]
Rezensionen
Claudia Theiner: Das Nilpferd fliegtDas Bild ist von noch höherem Rang als die Sprache, denn es führt mit großem künsterlischem Können Schönheit und Geist zusammen: Michaela Weiss illustriert Marie von Ebner-Eschenbach. Mit leichter Hand nähert sie sich der Fabel über Zufall und Schein. Durch die Bilder wird man in das Buch hineingezogen, es sind Impressionen, die Weiss mit federleichten Schraffuren und sanftem Aquarell ausführt.
Das Nilpferd weiß nichts von seinen Schmetterlingsflügeln an seinem Rücken, für die es von seinen Kumpanen gelobt und beneidet wird. Eine Raupe hat sich wohl in der Nackenfalte eingepuppt und dem Dickhäuter kecke Flügel verpasst. Wie umgehen mit all den Lorbeeren für die schönen Flügel? Und was tun, wenn die Freunde erwarten, dass es, das Nilpferd, jetzt fliegt? Es ist ja kein Adler, oder doch? Es lässt sich jedenfalls verführen von dem wundersamen Zufall. Und macht also „einen Ausflug nach Sansibar hinüber“.
Doch als der Wind dem Nilpferd eines Tages die Flügelchen wegbläst, fällt der Schwindel auf: Die Tücken des schönen Scheins holen das eitle Tier ein. Michaela Weiss malt die feinen roten Flügel als Hingucker, nützt sie als Leitmotiv von Seite zu Seite.
Die kleine Erzählung „Das Nilpferd“ von Marie von Ebner-Eschenbach wurde 1897 erstmals in der Monatszeitschrift „Die Frau“ veröffentlicht. Ebner-Eschenbach (1830–1916) wurde vor allem durch ihr Prosawerk bekannt, das von Humor und sozialer Anteilnahme gekennzeichnet ist. 1898 erhielt sie als erste Frau das „Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft“.
(Claudia Theiner, Rezension in den Dolomiten. Tagblatt der Südtiroler, veröffentlicht am 1. April 2014)
Wolfgang Moser: Der bunte Schmetterling in der Nackenfalte verändert das Leben eines Nilpferds
Eine kecke Fabel der österreichischen Erzählerin Marie von Ebner-Eschenbach
Eine Schmetterlingsraupe kriecht aus Zufall oder einfach zur Abwechslung in die Nackenfalte eines Nilpferds, verpuppt sich und schlüpft dort als auffällig bunt geflügelter Schmetterling. Mit Flügeln im Nacken gelangt dieses Nilpferd zu großem Ansehen, obgleich natürlich keiner der geheimen Flugversuche erfolgreich ist. Die anderen Nilpferde lassen sich davon nicht beirren: Sie halten es für dessen ehrenwerte Bescheidenheit, aufs Fliegen zu verzichten! Sogar als der Schmetterling wegfliegt, bleibt dieses Nilpferd, das nun wie zuvor allen anderen gleicht, über viele Generationen berühmt.
Marie von Ebner-Eschenbachs Fabel über den Zufall und die Einflüsse der Meinungen Anderer auf das Selbst- und Fremdbild hat Michaela Weiss zart und feinfühlig illustriert. Die Farbaufteilung und Illustrationstechnik weisen durch die Geschichte: Die Tiere bestehen aus dünnen Federstrichen. Himmel, Wasser und Pflanzenwelt sind in zurückhaltenden Farben flächig. Die feine Zeichnung schenkt sogar den grauen Dickhäutern eine gewisse Leichtigkeit. Als hellroter Blickfang lenkt der Schmetterling das Auge über die Seiten. Der Text in der Sprache des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist klassisch schön und bis heute aktuell; er bedarf kaum einer Erklärung und verzaubert in klarem Layout Kinder und Erwachsene.
(Wolfgang Moser, Rezension für: bn.bibliotheksnachrichten, 2014)
lups: Ein Nilpferd übt sich in Leichtigkeit
Kein Energy-Drink verleiht hier Flügel, sondern eine exzentrische Raupe. Die sich – warum auch immer – in der Nackenfalte eines Nilpferdes einnistet und verpuppt! Mit beschwingenden rosaroten Folgen … Der beflügelte Dickhäuter fühlt sich nämlich prompt so leicht wie ein richtiger Schmetterling und macht bereits erste Flugübungen, natürlich heimlich, damit die andern Hippos nicht neidisch werden. „Das Nilpferd“ ist eine ziemlich kurze Erzählung von Marie von Ebner-Eschenbach, eine kleine Parabel über die verführerische Kraft der Einbildung und ihre Tücken. Mit den zarten Illustrationen von Michaela Weiss wird daraus ein langanhaltendes Lesevergnügen für Jung und Alt.
(lups, Rezension in der Nürnberger Zeitung vom 30. November 2013)
Gabriela Wenke: Wenn einem Nilpferd Flügel wachsen …
… dann ist es erst einmal irritiert. Es ist schon ca. 150 Jahre her, da hat eine der frühen deutschen Dichterinnen, Marie von Ebner-Eschenbach, eine kleine Fabel geschrieben, die heißt „Das Nilpferd“. Sie handelt vom riesigen Nilpferd, das sich eine Raupe ausgesucht hatte, um sich in seiner Nackenfalte zu einem Schmetterling zu entpuppen. Mit den geflügelten, fliegenden und schwebenden Lebenden und Togen in „Annas Himmel“, kann das Nilpferd nicht konkurrieren. Die Raupe entpuppt sich nicht zum Schmetterling, sondern zu zwei Schmetterlingsflügeln, zwei großen, herrlichen Flügelchen (im Verhältnis zur Größe des Nilpferdes), die das Nilpferd selbst gar nicht sehen kann. Während in „Annas Himmel“ die Verstorbenen mit noch zarteren Flügeln schweben können, bleibt das – sehr lebendige – Nilpferd mit allen vier kräftigen Beinen auf dem Boden.
Erst reagiert es ungehalten, als man seine Flügel bemerkt. Aber als eine von ihm schon lange verehrte Nilpferd-Dame die Flügel sehr lobt, ist er wie berauscht. Sehen kann er die Flügel selbst nicht, aber er denkt sich, wenn er schon Flügel hat, muss er auch fliegen können. Heimlich übt er. Doch alle seine Versuche misslingen. Trotzdem tut er den anderen gegenüber so, als sei er geflogen. Nur aus Bescheidenheit wolle er es nicht vorführen. Als der Wind seine Flügelchen fort trägt, tut er so, als habe er seine Flügel aus Bescheidenheit abgelegt, damit er den anderen „nichts voraus habe“.
Michaela Weiss hat die Geschichte mit feingestrichelten, aber gewaltigen Nilpferden belebt und die beiden zarten, roten Flügel ragen ganz hinreißend leicht aus der Nackenfalte des beleibtesten von ihnen. Für eine kleine Weile ist das Nilpferd ganz unverdient ein Star und ist so in die Analen der Seinen eingegangen, als „Phönix“.
Die Schmetterlingsflügel sind ebenso bezaubernd wie grotesk; aber die Nilpferde wollten einfach daran glauben, dass einer der ihren fliegen konnte. Klug sind sie alle nicht, aber einer war schlau genug, so zu tun als ob. Reizend.
(Gabriela Wenke in: Darfs ein bisschen mehr sein? Diese Bilderbücher fallen aus dem Rahmen)
Marianne Schreck: [Rezension]
Es bleibt nicht im Verborgenen, wenn ein Nilpferd plötzlich ein Paar zarte Schmetterlingsflügel auf dem grauen Buckel trägt. Seine gutmütigen Artgenossen staunen nicht schlecht und erwarten, dass der Freund nun abheben wird. Die schmeichelhafte Aufmerksamkeit bringt also auch einen gewissen Druck für den gewichtigen Stampfer mit sich: Ob er nun wirklich fliegen kann?
Marie von Ebner-Eschenbachs Fabel über Zufall, Schein und Eleganz wurde 1897 erstmals in Die Frau. Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit veröffentlicht. Nun ist sie in Buchform erhältlich und mit Illustrationen versehen, denen eine feine Schraffur zu eigen ist.
Nilpferds Flugversuche glücken aber doch! Zwar nicht auf der physikalischen Ebene, aber immerhin auf der ruhmestechnischen: Der Eintrag als erstes fliegendes Exemplar ist ihm sicher. Was eine kluge Geschichte nicht alles vermag.
(Marianne Schreck, Rezension im Falter #51–52/2013)
Wendelgard Beikircher: Grazile Dickhäuter
Ein Nilpferd mit zwei Schmetterlingsflügeln ist schon etwas seltsam; selbst die Frage, wie denn eine Raupe den weiten Weg bis hinter die Ohren jenes Dickhäuters geschafft hat, bleibt ungeklärt und offen für Spekulationen. Das Nilpferd kann es zunächst selbst gar nicht glauben; erst als eine begehrenswerte Flusspferddame seine beiden Flügel mit purpurnem Rand bewundert, ist es ganz begeistert und probiert im Wald vergebens das Fliegen aus. Findig gelingt es dem Nilpferd seine Anhänger zu vertrösten, einen Flug nach Sansibar vorzutäuschen und kritisch das Fliegen der Vögel zu kommentieren. Als ihm eines Tages seine Flügel im Wind davonfliegen, findet es prompt eine edelmütige Erklärung dafür und kommt dadurch bei seinen Artgenossen zu Ruhm und Ehre.
Die Fabel der österreichischen Erzählerin Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916) hat Michaela Weiss illustriert. Ihre mit Tusche gezeichneten Flusspferde sind vorwiegend grazil, bleiben aber doch etwas steif. In wenigen, einfachen Ausschnitten werden die Dickhäuter in ihren mit feinen Strichen gearbeiteten und zarten Pastellfarben eingefärbten Lebensraum gestellt. Der Originaltext, der 1897 in der Berliner Zeitschrift „Die Frau“ erschienen ist, wurde der neuen Rechtschreibung angepasst und teilweise gegendert. Es bleibt allerdings dahingestellt, ob manche Wortabänderungen und Interpunktionen tatsächlich zu einem besseren Verständnis der Fabel beitragen.
(Wendelgard Beikircher, Rezension in: 1000+1 Buch, 2014)
Rudolf Wenzel: [Rezension]
Das Unvereinbare scheint vereinbar geworden. Eine Schmetterlingsraupe hat sich versehentlich auf einem Nilpferd niedergelassen. Jetzt läuft es durch die Savanne und hat auf seinem massigen Körper zwei zierliche Flügel. Ein anderes Nilpferd entdeckt das Unmögliche, eine vom Nilpferd insgeheim angebetete Nilpferddame macht sogar Komplimente und die begeisterte Herde ist überzeugt, dass das Nilpferd nun fliegen könne. Ob das gut gehen kann? Die heimlichen Flugversuche des Dickhäuters jedenfalls scheitern kläglich. Doch ein wenig angeben kann nicht schaden: „Freilich, so einen Ausflug nach Sansibar hinüber habe ich kürzlich unternommen.“ Bis der Wind eines Tages die Flügel davonträgt. Das Nilpferd erschrickt, fängt sich aber sofort wieder und reagiert souverän. Seine Versicherung, gar nicht anders sein zu wollen als die anderen, trägt ihm noch mehr Bewunderung ein.
Preist die Fabel der österreichischen Schriftstellerin [Marie von Ebner-Eschenbach] (1830–1916) die Bescheidenheit oder werden hier Projektionen anderer als Möglichkeit zur eigenen Aufwertung genutzt? Beides ist möglich. So modern die Sprache dieser Fabel ist, so aktuell sind ihre Deutungsmöglichkeiten. In einer Zeit der Hypes und Mega-Events kann man nicht lange genug über die innere Wahrheit der Geschichte nachdenken. Vollends ist der Schlusssatz: „Heute noch lebt er als Phönix in der Geschichte und in der Dichtung der Nilpferde unsterblich fort.“ …
Wo gibt es sie, die „Dichtung der Nilpferde“? Wie wunderbar wäre es, sie zu finden … und sie zu verstehen! Eine Brücke zu dem Anderen, anderen Kulturen, anderen Erfahrungen, anderem Wissen!
Die Umsetzung in Bilder, zart colorierte Federzeichnungen, ist der Illustratorin hervorragend gelungen. Es muss eine wahre Herausforderung gewesen sein, das extrem Plumpe mit dem extrem Leichten visuell zu verbinden. Das blasse Rot der Flügel inmitten vielen Graus zieht als zentrales Motiv den Blick des Betrachters magisch an. Ergänzend zum Text steht das Nilpferd auch mal vor einem Teich, weil es herausfinden will, ob da wirklich etwas ist. Im Text prüft es ausschließlich mittels Flugversuchen, ob sich die anderen nicht nur einen Spaß machen wollten … Ganz ohne Text kann man die Geschichte auch anhand der Bilder erzählen. Und Kinder werden sie sofort begreifen und sich lange daran erinnern und vielleicht eine Ahnung davon bekommen, welche Verheißungen in der Phantasie liegen können.
(Rudolf Wenzel, Rezension in: Der rote Elefant. Bücher und andere Medien für Kinder und Jugendliche, Heft 32, 2014, S. 31 f.)
Kim Misfeldt: [Review]
Strange things happen when a caterpillar believes that change is good and decides to use the wrinkles on a hippopotamus' back instead of a cocoon. Incredibly, it is not a full butterfly that emerges one day, only two beautiful shimmering wings. Other hippos begin to notice and comment on the beautiful wings. The winged hippo longs to know something about his wings and goes into the forest to try them out. Unwilling to admit that flying is not possible, the hippo tells of great adventures in flight.
One day the wings blow off and as the other hippos notice, the once winged hippo smartly claims that he removed the wings so that the other hippos would not feel disadvantaged. The hippo who had been admired for the beautiful wings was now admired much more fervently for such a humble deed.
Austrian author Marie von Ebner-Eschenbach originally published this fable in 1897. The text engages and inspires over a century later with illustrations that allow the colorful wings on a hippopotamos to shimmer for the enjoyment of children and adults alike.
(Kim Misfeldt, review in: Bookbird. A Journal of International Children's Literature No. 4/2014, p. 146)