Quellenweg oder die Brustbeinblumen
Maria Linschinger (Eliskases)
edition linzISBN: 978-3-85252-874-8
17,5×12 cm, 84 Seiten, Hardcover
13,00 €
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Kurzbeschreibung
Quellenweg erzählt die Lebensgeschichte einer Frau: vom Aufwachsen als uneheliches Kind auf einem Tiroler Bauernhof, vom Leben in der Klosterschule und vom heimlichen, verstörenden sexuellen Erwachen, vom jahrelangen Missbrauch durch den Vater und der Flucht davor in die Ehe mit einem völlig unbekannten Mann, an dessen Seite sie sich ein Leben aufbaut – ein Leben, das aus viel Arbeit und wenig Glück besteht, und dem sie schließlich freiwillig ein Ende setzt. Die Geschichte der Protagonistin ist jedoch mehr als eine individuelle Lebensgeschichte; sie ist gleichzeitig eine Familiengeschichte, eingebettet in das Zeitgeschehen und zusammengehalten durch die Zeitangaben am Ende der Kapitel: von Neujahr 1920 bis Weihnachten 1990. Maria Eliskases erzählt in knappen, aber sinnlichen Bildern; mit äußerster Distanz, aber dennoch einfühlsam und, wie Eugenie Kain in ihrem Nachwort schreibt, ohne dabei jemals in Betroffenheitsprosa abzugleiten.
Rezensionen
Eva Riebler-Uebleis: Mutter LeniMaria Eliskases alias Maria Linschinger stammt aus Jenbach/Tirol, war bis 2001 Lehrerin in Altmünster und wohnt seit 1972 in Traunkirchen. Sie schreibt Kinder- und Jugendbücher und mit „Quellenweg“ ihren dritten mehr oder minder autobiografischen Roman. Viel fließt ein, was die Autorin aus Berichten ihrer Eltern und Großeltern weiß, und wird zum Werkstoff, aus dem sich die Figuren plastisch herausschälen.
Aus ihrem letzten Roman „Winterkind“ kennen wir die Jugendjahre Maria Linschingers zur Nachkriegszeit in der Kesselgasse in einem kleinen Ort Nordtirols. Hier knüpft die Erzählung „Stragula“ 2001, ebenfalls aus der Bibliothek der Provinz, über den Großvater Heinrich, der Züge ihres 90-jährigen Vaters aus dem Pustertal trägt, an. Die Sattlerei und das gegenüberliegende Galanteriewarengeschäft der Großmutter Berta, das diese 1933 eröffnet, finden wir im vorliegenden Roman „Quellenweg“ wieder. Der Großvater heiratete eine Ladinische des Gadertales aus der Familie Eliskases, daher das Pseudonym, das Maria Linschinger für Publikationen verwendet. Eliskases heißt „außerhalb des Dorfes gelegen“. Der Quellenweg liegt außerhalb des Dorfes und wir nehmen mit diesem Buch etwas außerhalb unseres Dunstkreises, nämlich aus der Vergangenheit wahr.
Die Autorin führt den Leser mittels ihres traditionellen Erzählstils weg vom lauten Alltag. Er taucht ein in die Almwiesen und das Leben vor und während des Krieges. Die Mutter Leni erzählt ihrer Tochter von ihrer Kindheit als ledige Tochter einer Lehrerin, die ihren Beruf aufgeben musste, da Lehrerinnen in den 20er-Jahren ledig sein mussten. Als Köchin geht sie in die Schweiz und lässt ihre Tochter Leni als sechstes Kind bei der Familie ihres Bruders. Von da weg beginnt eine Kindheit in Armut, an die sich vier Jahre strenges klösterliches Internat in Hall anschließen. Nicht weniger bedrückend sind ihre Jugendjahre im Hause des Vaters, der nicht nur ihre Arbeitskraft missbraucht. Die gewalttätige Figur des Vaters passt in den Zeitkontext, steht aber im krassen Gegensatz zur Feinfühligkeit und Orientierungslosigkeit der jungen Leni, die sich jahrelang nicht zu helfen weiß und der auch von niemandem geholfen wird. Diese beiden Phänotypen werden ergänzt durch den dritten Typus: den der wegschauenden Mutter. Sie verkörpert zeitgeistig die Stummheit und Taubheit, das Nichtausdrücken wollen, sollen oder wagen.
Die Figuren sind weder konstruiert, noch fordern sie zu Mitleid auf. Sie werden distanziert ohne falsches Pathos geschildert. Der Leser hat genügend Freiraum zum Erspüren der geheimen Wünsche, Sorgen und sensiblen Schwingungen des Mädchens sowie der späteren Gefühlskälte Lenis ihrem Ehemann gegenüber. Die Widrigkeiten des Alltags in den 20er bis 50er Jahren lassen von diesem Schicksal auf ähnliche schließen.
Diese Erzählung wird gespeist aus den Erinnerungsquellen der Mutter beim samstäglichen Spaziergang von Mutter und Tochter zum Quellenweg am Hang, wo das Wasser fürs Dorf gefasst wird. Der Satz Lenis am Ende ihres Lebens an ihre Tochter gerichtet: „Du weißt so vieles nicht, Kind!“ soll widerlegt werden. Denn mit diesem Werk können wir der Jugend die Generation der Großmütter nahe bringen und das Einfühlen ermöglichen.
(Eva Riebler, Rezension auf der Webseite der LitGes. Literarische Gesellschaft St. Pölten)
Weitere Bücher des Autor*s im Verlag:
Cordula und das Bummerdings
Der Haubentaucher
Der Olivenkern
Frauenschuh
Goldfisch oder der schwedische Archimedes
Herr Pomeranz lernt lachen
Im blauen Zug
Stragula
Winterkind