Von alpha bis ZIRKULAR
Literarische Runden und Vereine in Wien (1900–2000)
Alexandra Millner
edition seidengasse: Enzyklopädie des Wiener WissensISBN: 978-3-902416-12-4
21,5 x 15 cm, 198 Seiten, m. Abb., Hardcover
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Kurzbeschreibung
»Von alpha bis ZIRKULAR« bietet einen Überblick über die mannigfaltigen Gruppierungen, Strömungen und Entwicklungen innerhalb des literarischen Lebens im Wien des 20. Jahrhunderts. Die Arbeit basiert auf zahlreichen Einzelstudien und autobiografischen sowie Zeitzeugenberichten und ist um eine sachliche Darstellung bemüht. Anhand von Namenslisten werden die Überschneidungen des Personals diverser privater Runden und Netzwerke sowie institutionalisierter Interessenvereinigungen deutlich, was zur weiterführenden, vertiefenden Recherche anregen soll. In der Zusammenschau unterschiedlicher Formierungsarten wie Salons, Kaffeehausrunden, Zeitschriftenredaktionen, ideologisch oder ästhetisch gewichteter Vereinigungen und Interessenvertretungen werden die subkutanen Strukturen eines Literaturbetriebs deutlich, der sich als Teil des gesellschaftlichen Systems manifestiert.
Um 1900 war Wien das literarische Zentrum der Habsburger Monarchie. SchriftstellerInnen aus allen Teilen des Vielvölkerstaates trafen in der Hauptstadt zusammen, formierten sich gemeinsam mit Intellektuellen und KünstlerInnen zu berühmten Kaffeehausrunden und nahmen an regelmäßigen Treffen in den Salons bedeutender Frauen aus dem Wiener Kulturleben teil. Letzter Ausläufer der literarischen Kaffeehausrunden war der Stammtisch im Café Raimund, an dem sich die Schriftstellergeneration der Nachkriegszeit um den Mentor Hans Weigel versammelte. Die Cafés wurden von Kellerlokalen abgelöst, etwa dem »Strohkoffer«, Treffpunkt der literarischen Sektion des Art Club, aus deren Reihen u. a. die Wiener Gruppe hervorging.
Waren die zahlreichen literarischen Vereine in Wien vom Beginn des Jahrhunderts bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1938 zusehends politisiert worden und schließlich zum Großteil der Gleichschaltung zum Opfer gefallen, so hielten sich die neuen Literatenrunden, die sich nach 1945 um Zeitschriftenredaktionen herausbildeten, von politischen Inhalten – abgesehen vom Entnazifizierungsgesetz und dem Brecht-Boykott – anfangs fern. Schließlich wurde das literarische Leben im Zuge der kulturellen Revolution 1968 neuerlich politisiert und spaltete die Szene: Realistisch-gesellschaftskritische Texte standen einer ästhetisch experimentellen Literatur gegenüber. Das Selbstverständnis der SchriftstellerInnen wurde im Laufe des Jahrhunderts professioneller, sozialrechtliche Absicherung und Standesvertretung wurden in den 1970er Jahren öffentlich diskutiert.
In den 1980er Jahren formierten sich weniger offiziöse AutorInnengruppen, deren Personal in Bezug auf Publikationsorgane, Literaturprojekte oder Veranstaltungen große Überschneidungen aufweist. Die zunehmende Kommerzialisierung der Kultur bringt eine große Bandbreite an Veranstaltungsformaten mit sich. Wien ist dabei über das vergangene Jahrhundert hinweg Zentrum des literarischen Lebens in Österreich und – neben Berlin – wohl auch im deutschsprachigen Raum geblieben.
Das vorliegende Buch ist als Handbuch konzipiert. Es fasst nicht nur zahlreiche Einzelforschungen über kanonisierte literarische Positionen zusammen, sondern versucht auch wichtige subkulturelle Entwicklungen zu berücksichtigen. Durch die Überblicksdarstellung kommen allgemeine Entwicklungstendenzen des literarischen Lebens in Wien deutlich zum Ausdruck. Als Handbuch führt es die bedeutendsten literarischen Runden und Vereinigungen sowie deren namhafteste Mitglieder an und bietet damit die Basis für weitere Forschungsarbeiten.
[Enzyklopädisches Stichwort]
[edition seidengasse | Enzyklopädie des Wiener Wissens, Bd. V.
Hrsg. von Hubert Christian Ehalt für die Wiener Vorlesungen, Dialogforum der Stadt Wien.]