TA-BU
2000–2013 ; Fragmente
Marie Colbin
ISBN: 978-3-99028-237-3
24 x 17 cm, 400 Seiten, Hardcover
€ 15,00 €
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Kurzbeschreibung
Im Mai 2000 – Berlin
Am 18. dieses Monats war Vollmond im Scorpion – mein Blut geriet in Wallung und plötzlich wusste ich, ins blaue Land muss ich zurück! … und jetzt muss es sein! So rief ich also schlaflos das größte Taxi Berlins und 2 Stunden später kurvte mich eine Lady in Blond – mit 5 Katzen im Gepäck – behutsam via Salzburg. Nach langer Zeit Berlin blitzen die Berge wie Fremdkörper in meine Augenwinkel und ich erlebe eine Art Kulturschock, als käme ich aus Indien. So klein – so sauber – so gute Luft!
18.8.2000 – S. im Sonnenbad
Ein wunderbarer Sommer hat sich hier entfaltet. Tiefes Heiß wie im Süden – der Wind erzählt mir Geschichten – als hörte ich das Meer rauschen – spürte das Brennen des Sandes auf meinen Fußsohlen und Salzgeschmack auf meinen Lippen. Die Hitze hier ist neu und das ist gut, sie gibt der Stadt das internationale Kleid, das ihr sonst fehlt. Ich schwimme am Morgen – schreibe – denke – bin einfach nur da – fahre mit dem Rad zu meinem Lieblingsplatz – und esse ein Eis – lese und kaufe Katzenfutter – dann laufe ich die Allee in den Abend hinein – tiefe Träume und ein frühes Erwachen. So gehen die Tage dahin und mit ihnen der Sommer. Langsam weitet sich die Sehnsucht nach Berlin und in Gedanken bereitet sich der Umzug.
Donnerstag 21.9.2000 – Berlin – Hotel Savoy – 408
8:00 Der Flirt mit dem großen, schwarz-grau gefiederten Vogel auf dem Kastanienbaum, mir vis-à-vis. Er putzt sich sorgfältig und ist erstaunt, wer ihm da zupfeift! Mir scheint, das hat er in der Großstadt noch nie erlebt.
Freitag 22.9.2000 – Berlin
13:00 – Vidal Sassoon. Una aus Lettland schneidet die Haare behutsam, die großen Hände bringen klare Linien. Der wilde Schnitt von einst wird sanft bereinigt.
15:00 – Eile in Schönheit via Bismarkallee. Der unerwartet attraktive Makler kommt zeitgleich. Diese Wohnung ist die schönste, die ich jemals besichtigt habe. Beinah ideal! Und in mir ja-t sich der Entschluss. Da steht plötzlich die hässlich blonde Frau trällernd vor uns – „Ich bin die Schwiegertochter und ziehe hier in 14 Tagen ein!“ Wir sprachlos, großäugig, wie angewurzelt im Flur. Der Schicksalsschlag der Seltenheit. … und die Folge war klar – glasklar! Einige Vielschritte weiter schmerzt der unbeabsichtigte Tritt auf die Zyklame, unter der ich wenige Monate zuvor das Rotkehlchen begraben hatte.
29.12.2012
Massenprotest in Indien! Studentin stirbt nach brutaler Vergewaltigung. Konzentration – Meditation – bewusste Handlung hilft durch den Tag. Mein linkes Lid zuckt immer noch. Es spielt den Winterblues. Die Nervenhaut ist derart fragil – sodass ich imaginäre Elephantenhaut mir borge.
30.12.2012
Heute liegt meine Tierfamilie wie ein Murmeltierhaufen im Kreis und schläft tief, nachdem gestern der Föhn große Frühlingsgefühle weckte und alles durcheinanderbrachte.
31.12.2012
Der Traum war klar und groß heute Nacht. Eine MC-Linie begleitete mich. Sie war stark und beständig. Patti und Buddha, die Ältesten meiner Tierfamilie, schubsten ihre Nasen gegen meine und liebkosten mich besonders stark. Wenn es euch nur gutgeht, meine Tiere, dann bin auch ich glücklich. Am späten Nachmittag bereits böllern die ersten Himmelskörper und Merlini wird sehr nervös. Er geht mit mir in den Wärmetempel, das beruhigt ihn etwas, jedoch hat er Angst wie jedes Jahr zu Sylvester. Seltsamerweise ist Bono, der zweite Räderkater, der um zehn Jahre jünger ist als Merlini, auch sehr voll mit Angst. Die beiden sehen sich ähnlich und sind doch so verschieden. Vivo schaut sich noch die ersten Leuchtkörper an und staunt, wird jedoch mit Steigerung der Lautstärke ängstlicher. Nur Buddha und Patti sind seelenruhig, schlafen und träumen, als wäre alles gut. Diese beiden Tiere wurden von Geburt an von mir geprägt und ich nahm denen viel Angst. Jedes Jahr feierten wir gemeinsam die Neujahrswende. Wir steigen in eine wilde und zugleich konzentrierte, zentrierte Neujahrsnacht. Sehr nah – sehr vereint.
1.1.2013
Der Umzug soll gelingen! Sehr arbeitsreich der erste Tag im neuen Jahr. So mag ich das. Ich arbeite gern. Neue astrologische Methoden bringen meinen Kopf zum Rauchen und mein Nacken glüht. Seine eigenen Methoden zu verfeinern, ist oft besser, als ständig neue Methoden einzuflechten. Zu viel Stoff verwirrt den Klienten und auch den Therapeuten. Studierte die ganze Nacht, brannte vor Begeisterung.
2.1.2013
Verspätete Geschenke und unerwartete Ereignisse bringen meinen Tagesplan durcheinander. Muss alles umdisponieren. Wurde lustvoll aus meiner Bahn geworfen. Ein großer Aufschrei – jedoch alles gut gemeistert.
5.1.2013
Der Regen prasselt und prasselt. Seit Tagen prasselt er auf uns nieder. Blaubeeren aus South-Africa und frische Feigen aus Israel munden mir zum Frühstück. Diese Köstlichkeiten schmecken so gut am Morgen und fremde Länder ziehen in mir ein. Wer hat die gepflückt? An welchem Tag und wo genau? Die Sonne schien und die Pflücker waren glücklich. Es kann nur so sein, denn diese Früchte schmecken danach. Biologisch. Extrem teuer im Winter, jedoch wunderbar im Geschmack. Geschenk des Morgens an mich selbst. Das Spielen mit Emmo ist schön! Sein Lachen bezaubert mich. Er schubst mir italienische Wörter zu – wenn ich ihn frage. Wie ich es liebe, mit Sprachen zu jonglieren. Emmo hat Spaß mit mir. Wir können gut miteinander. Verstehen uns auf naturhafte Weise, als hätten wir immer schon zusammen gespielt.
6.1.2013
Den Muttergeburtstag vergisst ein Kind wohl nie!
15.6.2013
Das große Lachen bricht heute aus mir und überrascht mich. Der starke Ruf aus weiter Ferne berührt mich sehr. Fragil fühle ich mich und neuwerdend.
16.6.2013
Noch einmal in die Texte beißen – noch etwas feilen an den Rändern – dann loslassen – ja …
18.6.2013
… schau da sind meine Spuren! …