
Bulemanns Haus
Theodor Storm
ISBN: 978-3-85252-456-6
21 x 15 cm, 58 S., zahlr. Abb.
11,00 €
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Kurzbeschreibung
[Ill. von Karen Holländer]
In einer norddeutschen Seestadt, in der so genannten Düsternstraße, steht ein altes verfallenes Haus. Es ist nur schmal, aber drei Stockwerke hoch; in der Mitte desselben, vom Boden bis fast in die Spitze des Giebels, springt die Mauer in einem erkerartigen Ausbau vor, welcher für jedes Stockwerk nach vorne und an den Seiten mit Fenstern versehen ist, so dass in hellen Nächten der Mond hindurchscheinen kann. Seit Menschengedenken ist niemand in dieses Haus hinein- und niemand herausgegangen; der schwere Messingklopfer an der Haustür ist fast schwarz von Grünspan, zwischen den Ritzen der Treppensteine wächst jahraus, jahrein das Gras.
Wenn ein Fremder fragt: »Was ist denn das für ein Haus?«, so erhält er gewiss zur Antwort: »Es ist Bulemanns Haus«; wenn er aber weiter fragt: »Wer wohnt denn darin?«, so antworten sie ebenso gewiss: »Es wohnt so niemand darin.«
Die Kinder auf den Straßen und die Ammen an der Wiege singen: In Bulemanns Haus, In Bulemanns Haus, Da gucken die Mäuse zum Fenster hinaus. Und wirklich wollen lustige Brüder, die von nächtlichen Schmäusen dort vorbeigekommen, ein Gequieke wie von unzähligen Mäusen hinter den dunklen Fenstern gehört haben. Einer, der im Übermut den Türklopfer anschlug, um den Widerhall durch die öden Räume schallen zu hören, behauptet sogar, er habe drinnen auf den Treppen ganz deutlich das Springen großer Tiere gehört. »Fast«, pflegt er, dies erzählend, hinzuzusetzen, »hörte es sich an wie die Sprünge der großen Raubtiere, welche in der Tierschau auf dem Rathausmarkte gezeigt wurden.«
Rezensionen
Jutta Kleedorfer: Klassische Gruselnovelle des poetischen Realismus (ab 12)Diese Novelle Theodor Storms gehört in Deutschlands Schulen zum literarischen Kanon, der Kinderreim „In Bulemanns Haus, in Bulemanns Haus, da schauen die Mäuse zum Fenster hinaus“ wird immer noch gerne zitiert. Auf den einschlägigen schulisch oder lesepädagogisch orientierten Webseiten in Deutschland findet man daher nicht nur den ungekürzten Text, es werden auch gleich dazu fertige Referate oder Unterrichtsbilder angeboten. In Österreich dagegen ist diese Alternovelle eher weniger bekannt, sie findet sich auszugsweise auch nicht in Lesebüchern und wird im Unterricht eigentlich nicht gelesen. Umso erfreulicher also, es zu wagen, diese alte, zeitlose Geschichte in bibliophiler Gestaltung neu herauszubringen.
Es sind vor allem die Schwarzweißillustrationen, die diesen Text zu neuem Leben erwecken und postmoderne Zugänge zu eröffnen. Da wird bei der Lektüre plötzlich klar, dass nicht nur in der Gegenwart „Geiz als geil“ empfunden wird, sondern die Gier, das Nicht-genug-Kriegen-Können, die Hab- und Raffsucht, der Egoismus werden zur bestimmende Triebfeder menschlichen Handelns, wenn die Kommunikation mit der Umwelt abbricht und tiefes Misstrauen den Menschen gegenüber vorherrscht. Storm zeigt exemplarisch inhumane Verhaltensweisen, bietet jedoch eine gewisse Orientierung im christlichen Glauben, der das Böse schlussendlich bestraft und die Gerechtigkeit sowie das Gute siegen lässt.
Die Funktion dieses Buch liegt m.E. auch darin, durch die Neuauflage einer solchen klassischen Novelle traditionell Erinnertes wieder ins Gedächtnis zu rufen, den literarisch dichten Text neu zu lesen und zur eigenen Lebenswirklichkeit in Bezug zu setzen.
(Jutta Kleedorfer, Rezension in: 1000 und 1 Buch)
http://www.biblio.at/rezonline/ajax.php?action=rezension&medid=16933&rezid=19919