Das Geheimnis der Gestaltwerdung
Raum – Zeit – Zahl · Ein interdisziplinärer Ansatz, sich dem Thema in Bild und Wort zu nähern
Ernst Steiner
ISBN: 978-3-85252-673-7
21 x 15 cm, 222 S., zahlr. farb. Abb., Hardcover
€ 29,00 €
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Kurzbeschreibung
In Ernst Steiners Bildern herrscht Ordnung. Keine bedrohliche, sondern eine auf Anhieb wohltuende, keine bleierne, sondern eine erregende, keine starre, sondern eine durch und durch bewegliche, keine erstorbene, sondern eine lebendige Ordnung. Diese Ordnung fügt sich jeweils aus einem äußerst bescheidenen Vorrat aus Formen und Farben zusammen. Es ist bestürzend, welch ein unendlicher Reichtum an Gebilden aus der Kontingenz dieser Formelemente erwächst. Diese Ordnung ist nicht Schein, sondern Erscheinung.
Mit Texten zu Ernst Steiners Bildern sowie zur Gestaltwerdung an sich von Christian W. Fabjan, Maximilian Gottschlich, Marianne Gronemeyer, Helmut Kratochvil, Wolfgang Müller-Thalheim, Dietmar Pum, Walter Schurian, Peter Sloterdijk, Wolfgang Stromayer und Rudolf Taschner.
Rezensionen
Walter Schurian: Zufall und NotwendigkeitIn seinem Zyklus „Gestaltwerdung“ legt Ernst Steiner dem Betrachter psychologische Testtafeln vor. Als zentraler Teil seines neuen Buches sind sie die Ausgangspunkte für geistige Erkundungen.
Ernst Steiner fühlt sich der Tradition der Psychologie und der Erforschung des menschlichen Verhaltens und Fühlens künstlerisch stark verbunden. Anfangs vor allem durch seine Nähe zu den Künstlern der Phantastik, die seit hundert Jahren die Erkenntnisse der neuartigen Tiefenpsychologie – mit all den faszinierenden Abgründen der menschlichen Natur – auch zu den ihren erklären.
Steiner jedoch geht eigene Wege. Er geht planend, argumentativ und beinahe streng wissenschaftlich an seine Bilder heran, um sie kognitiv zu entwerfen, rational zu erarbeiten und sie somit allgemein nachvollziehbar und einsichtig zu gestalten. Vor allem die Werke aus seinem jüngsten Zyklus „Gestaltwerdung“ gleichen psychologischen Testtafeln, mit denen der Betrachter seine eigenen Wahrnehmungen anhand jener des Künstlers überdenken kann.
Sein jetzt vorgelegtes Buch, das die wichtigsten Arbeiten der letzten Jahre zeigt, hat den psychologisch begründeten Begriff der Gestalt zum Thema. Dieser Begriff steht für die innere und äußerlich wahrnehmbare Struktur, die etwa ein Bild oder jedes allgemeine System von Anregungen, Formen und Mustern auszeichnet.
Mittels einer beeindruckenden Folge von sublim ausgeführten Gouachen klärt Ernst Steiner die Umstände, wie Zufall und Notwendigkeit bei der Erstellung eines Bildes zusammenspielen und wie sie sich gegenseitig beeinflussen. Das Ergebnis aus beiden Faktoren, aus Zufall und Notwendigkeit, ergibt letztlich ein „Mehr-als-ihre-Summe“ – also ihre Gestalt.
Der Entstehung der einzelnen Bilder geht meistens ein Würfelspiel des Künstlers voraus, ein mathematisch-geometrisches Puzzle oder ein anderes ernstes, auch esoterisch eingefärbtes Spiel, und dieses Spiel begleitet sodann den weiteren bildlichen Werdegang.
Bei der Erschaffung seiner künstlerischen Strukturen in Form von vielfältigen Gestalten schweift Steiners Blick zudem zurück auf vorangegangene Diskussionen, wie etwa auf Viktor von Weizsäckers psychosomatisches Modell eines „Gestaltkreises“ in der Medizin oder auf Friedrich Gundolfs geisteswissenschaftlich angelegte „Kräftekugel“, in der die Kraftfelder des „Räumlichen und des Zeitlichen“ aufscheinen und zusammenfinden. Und somit öffnet sich mit der Gestalt ein weites Feld für geistige Erkundungen.
(Walter Schurian, Rezension in: morgen. Freies Forum für Fragen der Kultur, 1/2006, S. 6)
Hansjürg Lengacher: Ernst Steiner, „Das Geheimnis der Gestaltwerdung“
Der Künstler Ernst Steiner zeigt in seinen hundertundvierzig Bildern, sorgfältig gedruckt auf Glanzpapier, wie aus dem Nichts Gestalten entstehen, die zusammengesetzt sind aus einfachen Bauteilen der Geometrie, aus Strecken, Dreiecken, Quadraten, Rhomben, Fünfecken, Sechsecken, Kreisen und Ellipsen. Aber es ist Steiners Kunst, diese Formen in farbig getönten Reihen so zu komprimieren, dass man sie „lesen“ kann, von unten nach oben, von links nach rechts oder umgekehrt. Dadurch bringt Steiner sie in Bewegung, wir erkennen so ihre Abfolgen, ihr Werden, ihre Zusammenhänge.
Sie quellen aus einem Punkt hervor, dehnen sich aus, weiten sich zu Spiralen oder ziehen sich wieder zusammen. Sie beginnen sich zu drehen, sie spiegeln sich oder wandern über ganze Flächen als Ornament direkt ins Unendliche. Sie spalten sich in kleinere Einheiten auf oder überschneiden sich zu neuen Mustern. Kurz: Es entfaltet sich eine geordnete und belebende Dynamik, je länger wir uns in diese Bilder versenken.
Der Verfasser erzählt zu Beginn seines Buches einen Traum, der als Vision seine Bilder beseelt: „Ich träumte, der Kosmos bestehe aus unzähligen Kügelchen … Durch sie floss ein Strom- und Weltgeist. Jedes Kügelchen hatte eine andere Farbe, und so ergaben sich daraus Hügel, Bäume, Tiere und Menschen … Und wenn ein Kügelchen sich bewegte, geriet das Gefüge in fliessende Bewegung …“ Nun, aus den Kügelchen wurde später ein häufig von einer Sechsersymmetrie durchwirktes Punktraster im weissen Feld, das Steiner seinen Bildern zugrunde legte. In den Rasterpunkten scheint sich eine Kraft zu verdichten, welche die Form-Möglichkeiten der sie umgebenden Fläche verwirklichen will. Hier lebt, mit den Worten des Künstlers gesagt, „der Geist, der Sinn stiftet, der ordnet, wertet, gewichtet, deutet und aus Zahlen Sinnstrukturen schafft“.
In diesen Traumkügelchen resp. Rasterpunkten ist für den Autor das Geheimnis der Spontaneität, des Werdens aus einem Ursprung, verborgen. Die Phantastik des Künstlers vernetzt und verknüpft die Punkte nach ihren eigenen, verborgenen Gesetzen, ordnend, planvoll, zielgerichtet. Der Philosoph Peter Sloterdijk sieht darin das Wirken einer Entelechie nach Aristoteles, die interne Zielprogramme schafft und in lebenden Gestalten verwirklicht.
Weitere neun Professoren verschiedenster Fachrichtungen hat Steiner gewinnen können, die sich zu seinen Ideen und Bildern geäussert haben; ihre Beiträge sind im ersten Teil des vorliegenden Buches versammelt. Die Idee des Buches war es ja, sich dem „Thema Gestaltwerdung in Bild und Wort mit einem interdisziplinären Ansatz anzunähern.“
Der Psychologe W. Schurian bringt das Formwerden mit dem aktiven Form-Wahrnehmen der Gestaltpsychologie in Zusammenhang. Da fügen sich dem Wahrnehmenden ganz von selbst zufällig im Raum liegende Punkte zu einer Struktur zusammen. Der Biotechnologe D. Pum erinnert an die Fähigkeit von Molekülen, sich schlüssel- oder schlossartig zu verbinden, sodass kristalline Strukturen in Gittersymmetrie entstehen. Der Zoologe H. Kratochwil weist auf die bilateralen Symmetrien hin, nach denen alle Lebewesen vom Einzeller bis zum Menschen gebildet sind. Für R. Taschner, Mathematiker, sind solche Strukturen der Beweis dafür, dass das Buch der Natur in der Sprache der Mathematik geschrieben ist, also in einer Sprache, die sowohl der Mensch wie die Natur versteht und die Ich und Welt miteinander verbinden.
Professor Gottschlich, Kommunikationswissenschafter, deutet die Steinerschen Bilder als Symbole von Lebensgeschichten: Am Zufall der komplexen Gegebenheiten entwickelt der Mensch seine eigenen Möglichkeiten, Entwürfe, Raster, um sich zu orientieren und zu sichern. Nach einigem Herumirren in der Welt „sind wir reif und bereit, uns dem Ganzheit stiftenden Sinnbild der Selbstfindung anzuvertrauen“. W. Müller sieht ganz ähnlich in den Bildern ordnende Sicherheiten, Verknüpfungen zum Sinn, die uns vor dem Absturz bewahren, die heilen und gesund erhalten. W. Strohmayer erlebt in den Gestaltbildern die Umsetzung von musikalischen Ideen. M. Gronemeyer, Soziologin, erkennt schliesslich in den ästhetischen Strukturen, im Zusammenstimmen von Teilen in ihrer Verschiedenheit, das Gegengewicht zum formlosen Wuchern, also genau das, was „Harmonie“ ausmacht. Der Harmoniker darf sich denn auch angesprochen fühlen: Auf den Seiten 182, 183 und 197 setzt Steiner spezielle harmonikale Verhältnisse in „tönende“ Figuren um.
Ich staune, dass es Steiner gelingt, die oft etwas schematischen Figuren der euklidischen Geometrie durch seine Kompositionen und durch seine dezente Farbwahl in stimmigen Zusammenhang zu bringen. Ich kann dieses Buch mit seinen 221 Seiten allen Freunden von Harmonie, Form und Mass herzlich empfehlen.
(Hansjürg Lengacher, Rezension in: Mitteilungen des Kreis der Freunde um Hans Kayser/Bern, Nr. 56, Mai 2006, S. 21)
Philipp Harnoncourt: Ernst Steiner, „Das Geheimnis der Gestaltwerdung“
Der gebürtige Schweizer, seit Jahrzehnten aber in Wien lebende Maler Ernst Steiner stellt mit diesem Buch sich selbst und seine Sicht auf die Wirklichkeit in all ihren Dimensionen vor. Die 130 sehr gut präsentierten Bilder faszinieren einerseits durch das konsequent durchgehaltene ganz einfache Punkt-Raster, das ihnen zu Grunde liegt, wie durch die Mannigfaltigkeit und Variabilität der formalen Kompositionen.
Die Zusammenhänge von Zahl, Zeit und Raum sind die bestimmenden Komponenten in Steiners Werken seit gut zehn Jahren. Die Kreativität des Künstlers bei strenger Beachtung der selbst entdeckten Regeln zeigt sich in unglaublich vielen Möglichkeiten. In der gegenwärtig wieder neu angefachten Diskussion über Schöpfung und/oder Evolution als Grundbedingungen aller Wirklichkeit trägt die Kunst wesentlich dazu bei, nicht in der Alternative Glauben oder Denken stecken zu bleiben, sondern die endlichen einfachsten Formen als Siglen für Entfaltung in die Unendlichkeit zu erfassen. Ordnung der Vernunft und scheinbar chaotische Phantasie stellen sich nicht als unversöhnliche Gegensätze sondern als komplementäre Notwendigkeiten heraus.
Eingeleitet wird das Buch durch kurze und lesenswerte Beiträge bekannter Natur-, Human- und Geisteswissenschaftler: Christian W. Fabjan, Maximilian Gottschlich, Marianne Gronemeyer, Helmut Kratochvil, Wolfgang Müller-Thalheim, Dietmar Pum, Walter Schurian, Peter Sloterdijk, Wolfgang Strohmayer und Rudolf Taschner.
Zielgruppe: Für alle Interessierten an Zusammenhängen zwischen Naturwissenschaft, Kunst und Religion in der Wahrnehmung der Wirklichkeit.
(Philipp Harnoncourt, Rezension in: Bücherbord. Kurzinformationen über Neuerscheinungen für Seelsorger, Religionslehrer, Büchereileiter u.a., [#?.] 2005, S. 45)