Der Engel im Kaffeehaus
»Herr Robert«, Café Landtmann, Wien und die Welt
Peter Roos, Clemens Fabry , Friederike Hassauer
ISBN: 978-3-85252-569-3
21 x 19 cm, 68 Seiten, zahlr. Abb.: Duplexdr., Hardcover m. Schutzumschl.
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Kurzbeschreibung
[Friederike Hassauer (Ed.)]
„Herr Robert“ ist eine Legende. Der Oberkellner des berühmten Wiener Kaffeehauses „Landtmann“ leitete 28 Jahre lang 28 Kellner und bediente 750 000 Gäste im Jahr. Seine Arbeit, die Professionalität, Charme, Witz, Schmäh machten ihn weltberühmt – sogar der amerikanische Bestsellerautor Forsyth hat ihn literarisch verewigt. Peter Roos, der deutsche Schriftsteller, in Wien lebend, war 13 Jahre Stammgast jenes Maître, hat ihn bei der Arbeit beobachtet und durfte selbst, als „Beikellner“, vom Meister lernen, was heute bedeutet, daß „der Gast König“ ist.
Mit den 41 Fotografien des Wiener Fotografen Clemens Fabry ist eine wohlwollend-kritische Hommage an diesen außergewöhnlichen Ober und Menschen entstanden; und am Beispiel des Herrn Böck alias „Herr Robert“ wird erstmals der Blick frei auch hinter die Bühne des Wiener Kaffeehaustheaters – gastronomische Arbeitswelt im grellen Neon wird sichtbar gemacht.
„Busseln täten die mich schon alle gern!“ – Über Kellner-Kunst & Kellner-Gunst. Eine Konversation
Peter Roos: Seit 28 Jahren sorgen Sie für das Wohl Ihrer Gäste im berühmten Wiener Kaffeehaus »Landtmann«. Jetzt tritt also der legendäre »Herr Robert« ab. Wirklich?
Herr Robert: Auch eine Legende hat ihren Pensionsanspruch!
Bedienen Sie sich in Zukunft selbst?
Zu Hause bin ich der »Gast«! Meine Gattin Gerda bedient mich besser als ich es je könnte! Natürlich servier ich mir morgens um halb Fünf – so früh steh ich auf – den Kleinen Braunen selbst!
Wie kamen Sie überhaupt in diesen Beruf?
Schon als Bub hat es mir einen Riesenspaß gemacht, im Dorf- Beisl dem alten Herrn Wirt beim Servieren zu helfen.
Was muß ein Ober können?
Grüßen! Ein Ober muß Grüßen können! Den Menschen im Gast erkennen. Den Stamm-Gast erkennen, denn das Kaffeehaus lebt vom Stammgast, und aus jedem Gast kann ein Stammgast werden. Und der will mit Namen begrüßt sein –
Und mit Titel!
Recht hams, Exzellenz!
Warum nennen Sie mich seit 13 Jahren, seit ich Ihr Stammgast sein darf, »Exzellenz«?
Weil ich bei Ihnen einen Schmäh führ! Aber schauns – die meisten Gäste wollen doch Wer sein. Und wer wer ist, der hat einen feschen Titel. Die Gäste wollen betitelt werden. Jeder Nudel-Drucker will doch ein »Herr Doktor« sein – also wird er promoviert oder gleich zum »Herrn Professor« befördert. Ein Kaffeehaus-Gesetz ist naturgemäß, daß der Ober den wahren Titel seines Gastes kennt! Ich habe sogar noch einen echten »Rittmeister« zu bedienen!
Der Ober muß naturgemäß das Tablett jonglieren können!
Besser, der jongliert nicht! Ein Ober trägt das Plateau! Körperbeherrschung! Geschicklichkeit! Geschwindigkeit! Flink muß er sein, der Herr Ober. Im Service hab ich mühelos 13 Dessertteller mit Wiener Würstl am Arm – das ist Voraussetzung! Man hat ja schließlich nicht umsonst drei Jahre gelernt! Aber, Exzellenz, das Wichtigste ist: Diesen Beruf muß man lieben, unbedingt lieben; wissens eh, was ich mein! Wer nicht zum Dienen bereit ist, der soll sich die Fersen gebn! »Dienen«, bitte, ist nicht »devot«! »Bedienung« heißt nicht »Bückling«! Der Gast ist ein Partner, dem der Ober etwas bieten will. Der Gast ist der König, doch der Chef bin ich!
Sie sind ja nicht nur Herr über 28 Kellner, Herr Robert. Sie sind eine Legende zu Lebzeiten, eine Instanz für exzellenten Service und guten Geschmack, mit dem Goldenen Ehrenzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet. Sie treten im Fernsehen auf, Ihre Meinung ist in der Presse gefragt, Sie werden in Büchern portraitiert; mehrfach sind Sie literarisiert worden – in Frederick Forsyths Bestseller-Roman »Die Faust Gottes« liest man gar von einem »soignierten Oberkellner Robert«. Wie lebt es sich mit weltweitem Ruhm?
Da hab ich naturgemäß eine Freud, wenn meine Gäste mir alle diese Druck-Stückerl bringen! Aber viel gscheiter wärs, wenn der Herr Schriftsteller Forsyth in seinem Roman das Burgtheater nicht mit dem Opernhaus verwechseln tät –
Das »Café Landtmann« gehört ja zu den berühmtesten Kaffeehäusern der Welt. Ist die Kundschaft auch berühmt?
Was soll i sagn? Der Karajan, der Peter Kraus, der Kanzler Kreisky, Strauß, Franz Josef, Kohl, Helmut – von Richard Burton über George Tabori zu Heinz Rühmann: Alle waren da, der Schah von Persien, bitte! Soll ich Exzellenz noch Namen servieren?
Was sind das für Gäste?
Welt-Gäste.
Rezensionen
Ester Saletta: Seine Exzellenz Herr Robert BöckPeter Roos und Clemens Fabry beobachten eine lebende Legende im Wiener Café Landtmann
„Wien ist die Stadt der funktionierenden Legenden. Böswillige behaupten, daß die Legenden überhaupt das einzige seien, was in Wien funktioniert, aber das geht entschieden zu weit. (…) Die weitaus komplizierteste dieser Legenden ist das Wiener Kaffeehaus.“ So schrieb 1959 Friedrich Torberg in seinem „Traktat über das Wiener Kaffeehaus“, und Friederike Hassauers Vorwort „Das Kaffeehaus als Lebens-Elixier“ zum neu erschienenen Buch „Der Engel im Kaffeehaus“ scheint gerade diese Behauptung zu bestätigen.
Die Geschichte Wiens, seine Literatur und Kunst wären kaum ohne Kaffeehäuser denkbar. Berühmte Persönlichkeiten wie u. a. Arthur Schnitzler, Hermann Broch, Robert Musil oder Stefan Zweig hätten ihre Werke ohne die Kaffeehausatmosphäre nicht verfassen können. Hier war der Ort, an dem man die Besonderheiten möglicher literarischer Charaktere ungestört beobachten konnte, sich zu Hause fühlte, seine Post abholte, telefonierte, sich aufwärmen konnte. Wie auch Hubert Christian Ehalt in seinem Nachwort „Wiener Kaffeehäuser. Eine Melange danach“ zu diesem Buch erinnert, war das Kaffeehaus früher kein Ort, an dem man nur einen Kaffee trank. Es war viel mehr als das; es war der Ort der lebendigen Kommunikation, des Meinungsaustauschs. Der spätere Tod dieses Kaffeehauses, den schon Karl Kraus Ende des 19. Jahrhunderts in seinem Essay „Die demolirte Literatur“ erklärte, klingt auch in Friederike Hassauers Vorwort an, wenn sie hinter den Kulissen des Wiener Café Landtmann die Gäste von heute beobachtet.
Das moderne Kennzeichen der heutigen Kaffeehausgäste ist die Eile. Das Publikum des heutigen Kaffeehauses kennt zwar nicht die Wiener der alten Generation, die die vergangene Tradition des Kaffeehauses als Ort der Unterhaltung noch bewahren, schützen und am Leben halten wollen, aber auch die junge Generation der Studenten verkehrt hier, die zwischen ihren Vorlesungen an der Hauptuniversität den Karl Lueger-Ring in Eile besuchen, um einen kleinen Mokka im Café Landtmann zu trinken. Es gibt auch die Touristen aus aller Welt, die wie Opfer des Fotowahns die stille, fast verzauberte Atmosphäre jedes Kaffeehauses mit neumodischen Fotoapparaten oder Mobiltelefonen stören. Zudem haben die meisten Besucher heute keine Zeit mehr, den ganzen Tag am Marmortisch vor einer heißen Melange und einem Stück Kuchen beim Zeitungslesen oder beim Plaudern zu verbringen.
Wenn man glaubt, dass die Auseinandersetzung mit dem Kaffeehaus heute anders sei als damals, hat man allerdings die zentrale Figur des Kellners vergessen. Der nämlich ist das letzte Relikt der Wiener habsburgischen Vergangenheit, die die Donaumetropole nie verlassen hat: und immer noch im Dienst! Peter Roos' kurzer Kommentar und seine Unterredung mit dem seit 28 Jahren beim Wiener Café Landtmann tätigen Oberkellner, der sich jetzt für die Pensionierung entschieden hat, lässt dem Leser Details eines Lebens im Dienst der Höflichkeit, der Freundlichkeit, des Gastrespekts und der Eleganz entdecken. Denn Herr Robert Böck, die lebende Legende des Café Landtmann in Wien, der mit dem Goldenen Ehrenzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet wurde und der von Frederick Forsyth in seinem Bestseller „Die Faust Gottes“ literarisiert wurde, ist die perfekte Verkörperung dieser Eigenschaften. „Körperbeherrschung! Geschicklichkeit! Geschwindigkeit! Flink muß er sein, der Herr Ober. (…) Der Gast ist ein Partner, dem der Ober etwas anbieten will. Der Gast ist der König (…).“
Vertrauen und Komplizentum zwischen Ober und Gast sind in Robert Böcks Augen die notwendigen Zutaten für einen perfekten josephinischen Kaiserschmarrn, damals wie heute. Und Peter Roos erzählt tatsächlich, wie er diese Zutaten persönlich gekostet hat, als er einen halben Tag als „Beikellner“ neben dem Meister Böck im Café Landtmann mitgeholfen hat. Auch der Wiener Fotograf Clemens Fabry hat mit seinen 41 Bildern in schwarz-weiß jede Bewegung, jede Miene und jeden Augenblick von Robert Böcks Tanz im Buch dokumentiert. Fabrys fotografische Reportage eines Arbeitstags des Oberkellners belegt nicht nur die verschiedenen Aktionen eines Kellners bzw. wie er sich kleidet, wie er die Gäste bedient und mit den anderen Kollegen kooperiert, sondern auch die Liebe, die Leidenschaft, die Pflege jeder Details, um ein einziges Ziel erreichen zu können: Das Gast soll sich wie ein Kind in einer guten Engelgesellschaft verwöhnt fühlen.
Ja, denn „Der Engel im Kaffeehaus“ muss nicht nur als Widmung und Danksagung für all die Jahre, die der Oberkellner des Café Landtmann jeden von uns mit Eleganz und Geschmack bedient bzw. unterhalten hat, gelesen werden, sondern insbesondere als Metapher des Weiterlebens der Wiener Tradition und Vergangenheit in der Moderne. Wien und die Wiener Kultur können nur existieren, in ihrer Tiefe verstanden und genossen werden durch die Erinnerung. Peter Roos' Kommentar und sein Interview sowie Clemens Fabrys Reportage lassen Claudio Magris' habsburgischen Mythos, der an jeder Ecke Wiens noch zu spüren ist, weiterleben. Dank solcher Bücher wird er nie sterben. Peter Roos' und Clemens Fabrys Buch wirft Licht auf eine „verborgene“ Seite der Wiener Lebensart bzw. auf die Akteure des Kaffeehauses und dessen Geschichte, die für die selben Bewohner der Donaumetropole manchmal selbstverständlich und eine tägliche Gewohnheit ist, und für die Touristen nur als reine Attraktion erlebt wird. Gut strukturiert und balanciert sind auch die deskriptiven und figurativen Teile des Buchs, dessen Kern von dem Interview mit dem Protagonisten Robert Böck markiert ist. Es lohnt sich, das Buch zu lesen und Fabrys Bilder anzuschauen, um einen Moment auf der Brücke zwischen Vergangenheit und Moderne zu verweilen.
(Ester Saletta, Rezension für: literaturkritik.de, Ausg. 09-2005, erschienen am 8. August 2005)
https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=8452
oepb/Redaktion Österreichisches Pressebüro: [Rezension zu: Peter Roos & Clemens Fabry, „Der Engel im Kaffeehaus“]
Wien! Stadt der Künstler, der Schriftsteller, der Politiker, der Lebemenschen, der großen und der kleinen Selbstdarsteller … und der Kaffeehäuser. Der Wiener benötigt kein Büro, er arbeitet im Cafe. Dies schien immer schon so gewesen zu sein. Einen Wiener zu suchen ist ein leichtes, wenn man sein Stamm-Cafe kennt. Das „Cafe Landtmann“ ist für viele ein Stamm-Cafe und bis weit über die Grenzen Wiens hinaus ein Begriff, ja, eine Institution,. Wer dort noch nie war, der hat Wien einfach nicht erlebt.
Der „Herr Robert“ gehörte zum Inventar. Knapp 30 Jahre lang jonglierte er stets mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen Kaffee und Torten, aber auch andere lukullische Genüsse quer durch das Lokal, er betreute in dieser Zeit 28 Kellner und bediente 750.000 Gäste – pro Jahr. Herr Robert war einer jener letzten Kellner-Institutionen, denen nichts entging. Sie waren die uneingeschränkten Herrscher des Cafes, überblickten alles und wussten vieles über die Stamm-Kunden. Und schließlich konnte jeder neue Gast in späterer Folge zu einem Stammgast werden – also hieß es, dass Freundlichkeit stets oberstes Gebot war.
Herr Robert ging in den wohlverdienten Ruhestand. Von nun an bedient ihn seine Gattin Gerda, die dies besser tut, als er es selbst könnte – so seine Worte. Nach 46 Dienstjahren darf auch einmal Schluss sein. Schließlich besang schon einstens der legendäre Hans Moser in „Sperrstund is´“, dass ein Ober ja auch einmal schlafen gehen muss. Der Höhepunkt der Karriere des Herrn Robert ist erreicht, der wohlverdiente Ruhestand ist da. Es sei ihm wohl gegönnt.
In diesem Buch von Peter Roos lässt er seine Landtmann-Laufbahn Revue passieren, gewährt Einblicke in den Alltag eines Obers und setzt gekonnt einige Bonmots ein. Das Buch schildert auf 72 Seiten in interviewerischer Erzählform die Geschichte des Cafes, die teilweise Verrohung der Gäste, der Umstand, dass in Wien jeder ganz erpicht auf einen Titel ist, umso mehr, wenn er keinen trägt, und erklärt, warum es keine Kellnerinnen gibt. „Die können nicht schwanger werden.“
41 schwarz-weiß Fotos von Clemens Fabry illustrieren somit ein Gesamt-Kunstwerk, welches als zeitloses Dokument für die Nachwelt erhalten bleibt.
„Danke, lieber Herr Robert. Danke, dass man bei Ihnen stets einen Platz bekam, wenn auch das Cafe noch so voll war, dass Sie stets mit einem Lächeln an ihre Gäste herangegangen sind und dass Ihnen kein Problem unlösbar erschien. Herr Robert, Sie fehlen uns!
(Rezension auf dem Website der Redaktion Österreichisches Pressebüro, erschienen am 5. August 2010)
https://www.oepb.at/wienbuecher/der-engel-im-kaffeehaus.html
derStandard.at: Peter Roos & Clemens Fabry, „Der Engel im Kaffeehaus“
Die wiener Ober-Legende „Herrn Robert“ aus dem Cafe Landtmann wird nun mit einem eigenen Buch gewürdigt
Er ist eine Legende in Sachen Wiener Kaffeehauskultur – und wird nun mit einem eigenen Buch gewürdigt: Der „Herr Robert“ aus dem Landtmann. 28 Jahre, bis zu seiner Pensionierung im Vorjahr, führte er die Ober-Riege in dem Ringstraßen-Cafe an. Berühmt wurde der Herr Robert – alias Robert Böck – durch seinen in ganz Wien gerühmten Charme, seinen Schmäh und seine Professionalität.
Auch der Titel der im Verlag „Bibliothek der Provinz“ veröffentlichten Neuerscheinung verweist auf die Beliebtheit des bekannten Oberkellners: „Der Engel im Kaffeehaus“ – die Texte stammen von Friederike Hassauer, Hubert Chr. Ehalt und Peter Roos. Letzterer war 13 Jahre lang Stammgast beim Herrn Robert und durfte selbst als „Beikellner“ vom Meister lernen.
Der Wiener Fotograf Clemens Fabry hat 41 Bilder zu der laut Verlag „wohlwollend-kritischen Hommage an diesen außergewöhnlichen Ober und Menschen“ beigesteuert. Am Beispiel des Herrn Robert wird auch der Blick frei gemacht hinter die Kulissen des Wiener „Kaffeehaustheaters“. Gezeigt wird dabei die nicht immer glamouröse Arbeitswelt in jenen Bereichen und Räumen, die dem Besucher verborgen bleiben.
(Rezension im Online-Standard vom 29. September 2004)
https://www.derstandard.at/story/1798295/der-engel-im-kaffeehaus