
Die Blaumerle
Roman
Michèle Gazier
ISBN: 978-3-85252-751-2
21 x 15 cm, 240 Seiten, Hardcover
€ 24,00 €
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Kurzbeschreibung
[Le merle bleu, dt.; aus d. Französ. von Karla Sitzwohl-Blandin.]
Die Blaumerle ist ein seltsamer Vogel. Ein Eigenbrötler, ein unauffälliger Wanderer diesseits und jenseits der mediterranen Küstenzonen, in deren felsige, mit zahlreichen Ruinen bestandenen Gebiete er sich gerne zurückzieht. Dennoch besitzt dieser Vogel die Gabe, mit seinem Gesang die Herzen der Menschen zu rühren und zu entzücken. Auch spröde, gefühlsarme Herzen wie die der Pernets. René und Clothilde Pernet sind ein betagtes Ornithologenehepaar, das in der Abgeschiedenheit der Provinzstadt Uzès seinen friedlichen, sich im täglichen Einerlei erschöpfenden Ruhestand verlebt und das Studium der Blaumerle zur letzten Leidenschaft seines irdischen Daseins gemacht hat.
Das unvermittelte Auftauchen des scheuen, kleinen Vogels deckt sich mit dem Erscheinen eines jungen Mannes, eines Fremden unbekannter Herkunft. Er nennt sich Alain, gibt sich als Schriftsteller aus. Er nistet sich ein, in ihrem Heim, in ihrem Leben. Im engen Kontakt mit den beiden Alten ändert er sich und zugleich sich selbst. Und so entdecken der frustrierte Professor, die autoritäre Vertreterin der „petite Bourgeoisie“ und der verführerische Unbekannte, ein jeder auf seine Weise, eine vollkommen neue und ungeahnte Fähigkeit zum Glücklichsein.
Rezensionen
Eva Riebler-Uebleis: LebensglückDank der Übersetzerin Karla Sitzwohl-Blandin aus Krems liegt nun dieser Roman von Michèle Gazier nicht nur auf Spanisch, Portugiesisch, Griechisch und Englisch sondern in ausgezeichnetem Deutsch vor. Die süd-französische Autorin bekam für diesen Roman „Le Merle bleu“ 1999 den Prix Exbrayat, Prix Bibliothèque pour tous und den Prix des lecteurs. Die folgenden vier Romane harren noch der deutschen Übersetzung.
Gekonnt führt die Autorin die Problematik, der vor allem französischen Bevölkerung mit dem Erbe ihrer Kolonialzeit, der verstärkten Präsenz und Arbeitslosigkeit der Einwanderer aus Algerien, vom Gesellschaftlich-Wirtschaftlichen weg ins persönlich Private. Ein Einwanderer, der außer seinem hübschen Äußeren gepaart mit guten Manieren nichts vorzuweisen hat, versucht in Frankreich Fuß zu fassen, indem er mit Berechnung und serviler Diensteifrigkeit sich das Vertrauen eines ausgewählten Ehepaars erschleicht, um eine Adoption anzustreben. Soweit der Sachverhalt, der jedoch den Kern des Romans keinesfalls trifft. Ist er doch weder Betrüger noch notorischer Lügner im üblichen Sinn, sondern vielmehr eine Quelle der ehrlichen Freude für eine 80-Jährige aus gut bürgerlichem Hause und ihrem 82 Jahre alten Gatten. Er ermöglicht diesem Ornithologen-Paar einen Lebensabend so angenehm, wie sie nie zu träumen wagten, ist Gesprächspartner, Zuhörer, Begleiter auf Einkaufstouren oder Chauffeur. Die Harmonie ist nach innen perfekt, der Algerier ohne Papiere kehrt bei den zwei Alten ihre Lebensfreude und ihre positiven Eigenschaften hervor und regt eine etwas lyrischere und weniger wissenschaftliche Arbeit über den seltenen Vogel, die Blaumerle, an, die er auch – allerdings wegen Betrugs im Gefängnis sitzend – in ihrem Sinne beendet. Gab er sich zu Beginn als Literat und Lektor aus, der er gar nicht war, so wird er dies zuletzt als Vollender des Lebenswerkes der beiden Ornithologen.
Eine rührende Erzählung, die durch Rückblenden in kürzester Form nach und nach die Herkunft und Lebensbedingungen des jungen Algeriers eingestreut hat. Er ist offiziell nur Erbschleicher, jedoch auch Geber und Empfangender, ist er doch durch den Verlust von Heimat und der Ermordung seiner Freunde und seiner gesamten Familie so emotional bedürftig wie die beiden Kinderlosen, die am Rand ihres Lebens stehen.
Diese Entblößung der Bedürftigkeit ist das eigentlich Rührende. Ein faszinierender Roman, der Probleme besitzloser junger Einwanderer und emotional verwaister Alten zusammenklammert.
(Eva Riebler, Rezension auf dem Website der Literarischen Gesellschaft St. Pölten, März 2008 [?])
Barbara Tumfart: Von den Mysterien zwischenmenschlicher Beziehungen
Die 1946 im südfranzösischen Déziers geborene Schriftstellerin Michèle Gazier begann ihre literarische Laufbahn 1992 mit ihrem ersten Erzählband „En sortant de l'école“. Für ihren ersten Roman „Histoire d'une femme sans histoire“ (1993) und ihre nachfolgenden belletristischen Werke wurde sie mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. Im niederösterreichischen Verlag „Bibliothek der Provinz“ liegt nun eine ansprechende Übersetzung ihres Buches „Le Merle bleu“ (1999) unter dem deutschsprachigen Titel „Die Blaumerle“ vor. Ein in ländlicher Abgeschiedenheit lebendes älteres Ehepaar, das sich auch nach seinem Rückzug aus dem Berufsleben mit der Ornithologie beschäftigt, lernt überraschend einen jungen, im Ort völlig unbekannten Mann namens Alain Rochet kennen. Claude und René Pernet sind sofort fasziniert von der natürlichen Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft des jungen Menschen und nehmen ihn in ihr Haus auf. Gemeinsam wird an einem wissenschaftlichen Projekt, dem Studium der Blaumerle, eines bisher wenig erforschten kleinen Vogels gearbeitet. Die intensive Beschäftigung mit dem scheuen Vogel und das neue ungewöhnlich spontane Leben zu dritt führen zu vielen grundlegenden Veränderungen im Leben des alten Ehepaares und zu einem neuen unerwarteten Gefühl des Glückes und der inneren Harmonie. Doch letztendlich holt die Vergangenheit den jungen Alain ein und die Idylle beginnt zu zerbrechen.
In sensiblen Bildern und einer behutsam ausgewählten Sprache schafft die französische Autorin einen faszinierenden Einblick in die Mysterien zwischenmenschlicher Beziehungen, erzählt einen Traum vom ewigen Glück und zeigt Möglichkeiten des gelungenen Zusammenlebens verschiedener Generationen auf. Ein stilles und sehr empfehlenswertes Stück Literatur für nachdenkliche Stunden und ruhige Momente.
(Barbara Tumfart, Rezension in: bn.bibliotheksnachrichten)
https://www.biblio.at/rezonline/ajax.php?action=rezension&medid=58484&rezid=28646