Frau oder Mann? – Das ist die Frage
[Betrachtungen]
Bundeshandelsakademie Traun, Klasse 3 c
ISBN: 978-3-85252-384-2
21 x 15 cm, 40 Seiten, m. Abb., Broschur
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Kurzbeschreibung
[3 C HAK-Traun]
Abschied
»Hast du irgendwas, Liebling?« »Nein, mir geht's gut, mein Schätzchen!« Wie konnte es bloß passieren? Ich hab doch immer alles getan für ihn – und jetzt lügt er mich an. Ich verstehe nicht warum. Ich könnte ihn ja zur Rede stellen. Ich könnte es aus ihm heraussaugen und ihn dann verlassen, nur was dann? Kann ich überhaupt noch alleine leben? Wer bekommt die Kinder und wer den Fernseher? Nein, ich werde ihn nicht zur Rede stellen. Nur, was soll ich dann anstellen, um ihn wieder für mich zu gewinnen? Ich bin ratlos und am Ende. Bin ich ihm zu alt geworden und zu hässlich, damit er sich eine Jüngere suchen muss, mit der er die traute Zweisamkeit verbringen kann und ich sitze zu Hause und warte mit dem Essen, dass er nach Hause kommt. Ich liebe ihn, jedoch hasse ich ihn für seine Lügen und Untreue. Ich erinnere mich noch genau, wie wir uns kennen gelernt haben. Es war ein wunderschöner Sommertag. Es schien die Sonne vom Himmel und es waren weit und breit keine Wolken zu sehen. Die Hunde tollten vergnügt im Park umher und man hörte von weitem kleine Kinder lachen. Ich saß einsam und verlassen auf einer Parkbank vor einer großen Fichte, die ihren Schatten über mich warf.
Plötzlich hörte ich hinter mir eine starke, jedoch wundervolle Stimme, dich mich ansprach: »Darf ich mich zu Ihnen gesellen?« Ich drehte mich um, und da stand er vor mir. Er hatte prachtvolle schwarze Haare, von denen jetzt nichts mehr zu sehen ist. Seine dunkelbraunen Augen stachen mir wie tausend Pfeile ins Herz und seine Figur war einfach männlich. Ich wusste, dass mich jetzt Amors Pfeil getroffen hatte. Ich erlaubte ihm, sich neben mich zu setzen und ich war noch nie so glücklich wie zu diesem Zeitpunkt. Wir redeten von vielen Dingen auf dieser Welt. Ich verliebte mich immer mehr in diese herrliche Stimme, die jetzt nur mehr Greuel hervorruft. Als er mich dann auf einen Kaffee einlud, wusste ich, dass es für lange Zeit war, für genau 24 Jahre. Früher, da hatten wir noch viel Spaß zusammen, bevor wir heirateten und die Kinder kamen. Wir sind oft, wenn die Sonne unterging, noch spazieren gegangen. Wir sind durch die einsamen Straße von Wien gelaufen, machten Reisen in ferne Länder und verbrachten gemütliche Abende zu weit.
Wieso lügt er mich an? Er konnte mir früher immer alles sagen, wieso auf einmal nicht mehr? Heute Abend wird er wieder zu ihr fahren und sich mit ihr vergnügen, und ich werde alleine vor dem Fernseher kauern und warten, bis er zufrieden und gelassen von ihr zurück kommt. Wenn er kommt, werde ich ihn darauf ansprechen und mit ihm darüber reden. Ich lasse mir das nicht mehr länger gefallen. Wir sind zwei Erwachsene und können darüber ruhig reden. Ich werde ihm klar machen, dass ich mir das nicht mehr länger gefallen lasse und ihm erklären, dass dies ein Ende haben soll mit dieser anderen Frau oder er wird mich nie mehr wieder sehen. Ja genau, das werde ich ihm heute klar machen. Wird er es mir glauben oder wird er mich hemmungslos auslachen? Ich habe Angst davor. Warum mussce ich es nur erfahren? Ich dachte mir, dass mir dies nie passieren wird – und was ist jetzt? Ich habe immer zu den anderen gesagt, wenn sie davon betroffen waren: »Ihr könnt eure Männer nicht richtig erziehen und ihr lasst sie machen, was sie wollen. Selbst schuld!« Wusste die anderen schon etwas von der Affäre meines Mannes? Sie wissen es sicher schon und werden sich lustig machen über mich und behaupten, dass sie glücklich seien, dass es mir auch passiert. Ich will nichts mehr mit diesen Damen zu tun haben. Denn wenn ich an ihnen vorbei gehe, werden sie mich komisch ansehen und sich denken: »Jetzt weißt du, wie das ist. Komm alleine damit klar!« Nein, es geht so einfach nicht mehr weiter!
Ich bin noch eine junge Frau und ich lasse mich nicht für dumm verkaufen von einem Missgeschick der Natur! Ich werde jetzt gleich meine Koffer packen und ausziehen. Die Kinder kommen mit mir und ich werde mein Leben auch ohne ihn gut verbringen können! Ich schreibe ihm noch einen Zettel – und weg bin ich. Jetzt werde ich hoffentlich diese blöde Frage nicht mehr sobald wieder hören: »Hast du irgendwas, Liebling?« Jetzt ist es aus mit seinem Liebling. Ich bin jung und selbständig.
(Susanne Sausack)