
irgendwo, irgendwann
Alice Wellinger
ISBN: 978-3-85252-467-2
24 x 17 cm, [28] Seiten, zahlr. farb. Abb., Hardcover
15,00 €
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Kurzbeschreibung
Wenn ich schlafen will,
kommt der Hase,
sitzt ganz still
und rümpft die Nase.
Woher kommst du,
Kleine?, fragt der Hase.
Woher kommen
Beine, Augen, Nase?
Rezensionen
Karin Haller: Kein NichtsDa liegt ein Kind friedlich im Bett und will eigentlich schlafen – als der Hase kommt, ja, nicht irgendeiner, sondern der Hase, offensichtlich ein alter Bekannter, der es sich öfter auf dem Sessel gemütlich macht. Und Fragen stellt: „Woher kommst du, Kleine? Woher kommen Beine, Augen, Nase?“ Das Mädchen gibt sich redlich Mühe mit ihren Antworten: „Aus Mamas Bauch, sag ich dann. Da warst du auch, irgendwann.“ Doch der Hase nervt und bohrt weiter, und so entspinnt sich ein Dialog zwischen den beiden darüber, was vorher war – vor Mamas Bauch. Das Kind überlegt verschiedene Optionen, ist sich sicher, dass wir irgendwie überall sind, der Hase nimmt den Part des zynischen Nihilisten ein: „Du warst ein Nichts. Allein, im dunklen Nirgendwo.“ Das kann die Ich-Erzählerin so nicht gelten lassen, schleudert ihm ein lautes „Nein“ entgegen, macht das Licht an – und bringt ihren Diskussionspartner so zum Verschwinden: „Warum? Ich glaube, Hasen mögen nicht, wenn man ihnen widerspricht.“
Die junge Vorarlberger Künstlerin Alice Wellinger bleibt in der Verhandlung ihres philosophischen Themas glaubwürdig innerhalb des Erlebnis- und Vorstellungshorizonts von Kindern und erweitert ihn durch fantasievolle, kreative Gedankengänge. Die Reimform betont dabei das Spielerische, Leichte des Dialoges, trägt dazu bei, dass auch der destruktive Hasen niemals bedrohlich wirkt.
Digitale Radierung. Wirklich bemerkenswert wird der schön ausgestattete kleine Band aber durch seine Illustrationen: In Schabkartontechnik wurden die Zeichnungen mit dem Messer aus einem mit schwarzer Wachskreide bemalten Karton herausgekratzt und dann am Computer weiterbearbeitet – eine Art „digitale Radierung“. So entstanden Bilder voller Intensität, Spannung und Ausdruckskraft; die fast magisch wirkenden Figuren bewegen sich in einem ruhigen, reduzierten Kosmos, weiten Räumen, die wie der Text viel Platz für eigene Gedanken und freie Assoziationen lassen, dann aber auch wieder mit liebenswerten Details überraschen. Ein Bilderbuch mit vielen Ebenen, zum Vorlesen und Anschauen und zum Reden darüber, wie das so sein könnte mit den Ursprüngen und Anfängen. Vielleicht sind wir ja als Kaulquappentiere um die Wette geschwommen oder haben in einem anderen Leben in einem Schloss gewohnt, die Welt von oben angesehen oder im Mai als Akelei im Gras geblüht …
(Karin Haller, Rezension in der Furche #44/2010)
Isabelle Erler: Eine poetische Annäherung an den Ursprung unseres Seins und Fragen in der Dunkelheit
Wenn es dunkel ist und die Augen noch nicht geschlossen sind, dann kommen sie, die Fragen. Bei großen und bei kleinen Menschen gleichermaßen. Und sicher lässt es sich mit einem Partner besser über sie nachdenken. Einer fragt und einer antwortet, eine behauptet und eine widerspricht. Die Möglichkeit eines imaginierten Dialogs, der Rede und Gegenrede, führt uns die österreichische Autorin und Illustratorin Alice Wellinger in ihrem poetisch-philosophischen Bilderbuch vor. Darin geht sie der existenziellsten aller Fragen nach, nämlich der, woher wir kommen.
Das namenlose Mädchen liegt mit offenen Augen in seinem Bett. Wie immer, wenn es schlafen möchte, kommt der ebenso namenlose Hase und stellt Fragen nach seiner, unser aller Herkunft, die das Mädchen mit all seinem bereits gesammelten biologischen, philosophischen und religösen Wissen zu beantworten versucht. Mit Erklärungen, die ihm die Eltern und andere Erwachsene gegeben haben, an denen es aber immer noch einen Rest der Unklarheit, der Unsicherheit gibt. Und in diese Wunde legt das hasentierige Alter Ego seinen Finger und behauptet letztlich sogar: „Du warst ein Nichts. Allein, im dunklen Nirgendwo! Dagegen aber wehrt sich das Mädchen, mit einem lauten Nein! und mit viel Licht.“
Vermutlich bleiben bei dem Mädchen Fragen offen, nachdem es den Traumhasen verscheucht hat. Wenn die LeserInnen den gereimten Text gelesen und die in warmen, roten Brauntönen und mit grobem Strich gehaltenen Illustrationen – Kratzzeichnungen auf mit schwarzer Kreide beschichtetem Karton – betrachtet haben, bleibt vor allem die Frage danach, ob das Nichts vielleicht doch greifbar würde, die Angst vor dem Fassungslosen zumindest ein wenig schwände, wenn das Gespräch zwischen dem Mädchen und dem Hasen fortgesetzt worden wäre. Auch wenn der Hase nicht weiterfragt: Die LeserInnen werden es sicherlich tun.
(Isabelle Erler, Rezension für 1000 und 1 Buch)
https://www.biblio.at/rezonline/ajax.php?action=rezension&medid=111013&rezid=37884