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M(arion), M(ax), M(anfred)

Roman

Walter Ladisich

ISBN: 978-3-85252-356-9
21 x 15 cm, 158 S.
15,00 €
Lieferbar

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Kurzbeschreibung

Marion Knopf hat eine kurze, aber wichtige Begegnung

»Können Sie zehn Schilling entbehren?«
»Können Sie mir zehn Schilling borgen?«
»Haben Sie vielleicht zehn Schilling?«

Marion Knopf wurde gefragt, als es gegen Monatsende war, im Monat April. Im April sind die Lebensgeister im Aufbruch, es gibt warme Tage und Nächte. Marions Ehemann war geizig, aber wenn die Bäume in den Saft schössen, und es auch sonst überall schwoll, grünte und blühte, übertrug er das Sparen auf seine Frau. Sie sollte sparen, denn er hatte Mehrausgaben. Die Mehrausgaben bezogen sich im heurigen Fall auf einen teuren Photoapparac. Er besaß zwar bereits vier Kameras, aber es war wieder einmal der Zeitpunkt gekommen, wo das Vorhandene den Ansprüchen nicht mehr genügte. Diesmal war es die Schärfe der Abbildung, und der Frühling bot insofern den Stimulus, als er endlich einmal die Beine der Feuerwanze gestochen scharf aufs Bild bringen wollte. Den wahren Grund teilte er Marion natürlich nicht mit, sagte nur, daß er bessere Porträts von ihr anstrebe, nämlich solche, die auch bei Vergrößerung auf ein wohnzimmerraugliches Bild noch scharf seien.

Jedenfalls hatte Marion von ihrem Mann Nikolaus für den Monat April nur zwei Drittel des sonstigen Haushaltsgeldes bekommen, worauf sie sich mit knirschenden Zähnen immer an den billigsten Lebensmittelregalen bediente, jetzt zu Monatsende sogar das nur mit strengem Rechnen. Zehn Schilling waren also für sie keine Kleinigkeit. Gott, war das schrecklich, und da stand dieser Mann hier, in seinem schäbigen Wintermantel trotz der Wärme, mit seinen fettigen Haaren und dem ebenso ungepflegten Vollbart. In seinem Einkaufswagen hatte er etwa zehn Dosen Katzenfutter von der billigsten Sorte, zu gleichen Teilen über die erhältlichen Geschmacksrichtungen wie Huhn oder Fisch verteilt.

»Tut mir leid«, sagte Marion, »aber mein Mann erlaubt es nicht.«
»Was, er erlaubt es nicht«, lachte der Mann, »aber richtig, das habe ich mir gleich gedacht. Da, schauen Sie, eine Nuß.«

Eine Walnuß, die auf dem Boden gelegen war, krachte gegen das Tiefkühlregal, ein kräftiger, geschickter Kick des Sandlers. »Warum hebt er sie nicht auf und ißt sie«, dachte Marion, aber der Mann war ohnehin schon an den Obst- und Gemüsefächern und hatte zwei Walnüsse an sich genommen.

»Hier«, er hielt eine davon Marion vor die Nase, »hier haben Sie die Vergangenheit.«
»Da«, er hielt ihr die andere hin, »haben Sie die Zukunft«. Er preßte die Nüsse in seinen Händen gegeneinander, eine davon gab nach, die Nuß war geknackt.
»Sehen Sie, die Vergangenheit ist offen, ich sage Ihnen, unter welchem Sternzeichen Sie geboren sind.
»Das können Sie«, staunte Marion.

Der Mann kaure und schluckte an der Nuß.

»Sie sind im Sternzeichen Löwe geboren und fünfundvierzig Jahre alt.«
»Wer sind Sie?«
»Ich bin Theo Paracelsus, und wenn Sie wollen, sage ich Ihnen noch mehr. Das kostet aber fünfzig Schilling.«
»Das ist mir zu viel«, stotterte Marion, »so viel kann ich Ihnen nicht geben, mein Haushaltsgeld, - aber gut, da haben Sie.«

Der Mann grinste. »Sie führen eine unglückliche Ehe.« »Das ist richtig, mein Mann ist ungeheuer egoistisch, er denkt nur an sich. Als er mich haben wollte am Anfang, tat er unglaublich aufmerksam, er war ständig da, holte mich ab, brachte mich hin. Kaum waren wir verheiratet, stellte er mich in die Ecke.«

»Soll Ich Ihnen die Zukunft sagen?« Theo Paracelsus hielt die zweite Walnuß zwischen Daumen und Zeigefinger in die Luft.
»Ich bitte Sie darum, das wäre sehr wichtig.«
»Geben Sie mir noch fünfzig Schilling.«
Sie warf einen gehetzten Blick in ihre Börse. »Nein, es geht wirklich nicht«, flüsterte sie.
»Gut, geben Sie mir halt noch zehn.« Er hatte seinen Hals lang gemacht und ebenfalls in die Börse geschaut.

Sie gab ihm das Geld. Dauraufhin ließ Theo Paracelsus die Nuß auf den Boden fallen und knackte sie flott und natürlich mit dem Schuhabsatz. Er war dabei so geschickt, daß die Nuß nicht gleich in Stücke fiel. Während er grinsend kaute, gab er Marion sein Orakel zum besten. Dieses bestand in erster Linie aus der Auskunft, daß sie nur dann glücklich sein könne, wenn sie ihren Mann verlasse, - mit der kryptischen Zusatzbemerkung, daß auch dieses Glück mit Schmerzen verbunden sein würde. »Was für Schmerzen«, fragte Marion.

»Die Kinder werden weinen«, sagte Theo Paracelsus. Marion war überrascht, daß er wußte, daß sie Kinder hatte. »Und warum werden meine Kinder weinen«, fragte sie. »Der Vater wird ihnen fehlen«.
»Aber ich wüßte sogar schon jemanden, der sicher ein besserer Vater für sie sein würde.«
»Trotzdem«, sagte Theo Paracelsus, »woher wissen Sie außerdem, daß dieser Mann ihr Vater sein wird.«
»Das ist richtig«, dachte Marion, »ich habe mit ihm über die eventuelle Trennung von meinem Mann noch gar nicht gesprochen.
»Na sehen Sie«, sagte Theo Paracelsus, als hätte er ihre Gedanken erraten.
»Können Sie mir noch etwas sagen«, fragte Marion. »Nur, wenn Sie mir mehr geben«, sagte der Sandler. »Das kann ich nicht«, sagte Marion.

Theo Paracelsus verneigte sich grinsend und schob sein Katzenfutter weg.



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