Macht und Ohnmacht – Opfer und Täter
Elisabeth J. Nöstlinger
ISBN: 978-3-85252-361-3
21 x 15 cm, 84 Seiten, Hardcover
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Kurzbeschreibung
[ORF Ö1. Hrsg. von Elisabeth J. Nöstlinger.
Mit Beiträgen von Wolfgang Bauer, Elisabeth J. Nöstlinger und Maria Mayer.
edition salzburger nachtstudio, 1]
Auszug aus dem Salzburger Nachtstudio vom 12. Jänner 2000: „Wissen ist Macht – Über das Vorenthalten von Daten, Fakten und Forschungsergebnissen“, von Wolfgang Bauer
»Wissen ist Macht« – Dieser Spruch geht auf Francis Bacon zurück. Der englische Philosoph und Staatsmann gilt als einer der Wegbereiter der Naturwissenschaften, weil er die unverfälschte Erfahrung als einzige sichere Quelle des Wissens betrachtet. Empirisches Wissen solle die klassische Spekulation ersetzen und dazu beitragen, die Natur zu beherrschen und die Kultur zu vervollkommnen, so Bacon.
Wissen bedeutet demnach, Macht haben über die Natur. Die Redewendung »Wissen ist Macht« ist 400 Jahre nach Bacon immer noch in aller Munde. Sogar bei Schülern ist der Spruch bekannt. Sie formulieren: »Wissen ist Macht, wir wissen nix, macht nix!«. Bacons Spruch ist also nach wie vor populär, wenn er auch heute mehr mit sozialen Phänomänen in Verbindung gebracht wird und wenn seine Anwendung auf die Beherrschung der Natur eher in den Hintergrund tritt. Beispiele aus drei Bereichen werden dies verdeutlichen.
Da ist einmal das Medizinsystem. Wenn eine Gruppe – die Ärzte – das Wissen besitzt, etwa über den Ernst der Diagnose, und wenn eine andere Gruppe – die Patienten – nichts oder zu wenig davon erfährt, dann fühlt sich diese Gruppe zumindest machtlos. Der Wiener Kommunikationswissenschaftler Maximilian Gottschlich verweist darauf, daß den Patienten sehr viel daran liegt, informiert zu werden.
»Nun zeigen aber leider andererseits, alle empirischen Studien, die durchgeführt worden sind – nicht nur in Europa, sondern vor allem in den Vereinigten Staaten – daß den Patienten Information vorenthalten wird. Und zwar durchaus auch aus einer sehr zunächst menschlich anrührenden Begründung, daß man die Patienten nicht schrecken möchte. Aber wenn man sich Patienten-Studien ansieht, dann zeigt sich, daß die Patienten wesentlich mehr Informationen haben wollen als Ärzte bereit sind, den Patienten zu geben.«
Auch die Arbeitswelt bietet ein Beispiel für Informationsvorenthaltung. Wenn nämlich die Führungsebene wichtige Informationen und Daten, die für das gesamte Unternehmen relevant sind, nicht an die Belegschaft durchläßt, oder wenn aus Karrieregründen Wichtiges vor anderen Mitarbeitern zurückgehalten wird.
Thomas Bauer, Kommunikarionswissenschaftler aus Wien: »Wenn man das Ausbauen der eigenen Position und das Verhindern der Position eines anderen dadurch erreichen mochte oder erreicht, daß man dem anderen Informationen vorenthält oder Informationen nur für sich behält, dann ist es mit Sicherheit eine der schärfsten Formen des Mobbings.«
Dann gibt es noch den Wissenschaftsbetrieb, in welchem Daten, Fakten und Forschungsergebnisse nicht offen präsentiert werden, auch wenn sich gerade Wissenschaftler per Definitionem anders verhalten sollten.
Peter Ecki, Genetiker aus Salzburg: »Das ist, glaube ich, eine generelle Eigenschaft des Wissenschaftlers, daß er immer fürchtet, daß ihm ein anderer zuvorkommen konnte.«
Informationsvorenthaltung in der Wissenschaft
Freie Kritik und eine gelungene Kommunikation – das fordert der Philosoph Karl Popper von den wissenschaftlichen Institutionen. Salopp formuliere bedeutet dies, daß die Forscher unentwägt ihr Wissen in den großen Wissensfundus der Menschheit einspeisen und sich schonungsloser Kritik und freier Konkurrenz stellen. Erweist sich eine Annahme in diesem Prozedere als unhaltbar, so wird sie abgeschwächt, revidiert oder durch eine neue Annahme ersetzt. So wird ein Steinchen neben das andere in das Mosaik der Erkenntnis gelegt.
Dieser Grundannahme stellt der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Gerhard Fröhlich von der Universität Linz die provokante These entgegen, derzufolge bei Tagungen oder in Publikationen, ständig Informationen ganz bewußt werschwiegen werden. Wissenschaftler geben zwar viele Erkenntnisse preis, aber nicht immer die Wichtigsten, Aktuellsten, Folgenschwersten usw. Einer der Gründe dafür ist das Karrieredenken im Wissenschaftsbetrieb.
Gerhard Fröhlich: »Wissenschaftler sind mehr oder minder verliebt in ihre Theorien, in ihre Daten, in ihre Begriffe, und wenn da jemand kommt, und ihnen ihre Verliebte wegnehmen will oder durch eine andere ersetzen will, dann gibt es starken Widerstand.«
Das kann sich darin äußern, daß Wissenschaftler ihre Publikationen zu Hause am privaten Computer verfassen, anstatt im Institut. Schließlich könnten die Kollegen etwas abschauen und dadurch einen Vorsprung gewinnen. Das bewußte Zurückhalten an Informationen kann sich aber auch darin äußern, daß etwa in naturwissenschaftlichen Publikationen die heißesten Fakten gar nicht vorkommen, sagt Fröhlich. […]