
Prinzessin Rotznase
Martin Auer, Linda Wolfsgruber
ISBN: 978-3-85252-375-0
22 x 22 cm, [32] Seiten, zahlr. farb. Abb., Hardcover
15,00 €
Momentan nicht lieferbar
Kurzbeschreibung
ÖSTERREICHISCHER KINDER- UND JUGNEDBUCHPREIS 2002
Eines Tages geht die Prinzessin im Garten spazieren. Da kommt der Prinz vorbei und sagt: „Verzeih, liebe Prinzessin, dir hängt ein Rötzlein zur Nase heraus.“ Da sagt die Prinzessin: „Na und lass es hängen!“ „Oh weh!“, sagt der Prinz. „Wenn der Prinzessin ein Rötzlein zur Nase raushängt, so will ich mich nicht mehr kämmen!“ …
Rezensionen
Inge Cevela: KasperltheaterDie Frage der Vorbilder und ihrer Wirkung ist immer auch eine Frage hierarchischer Bestimmtheit: Des Kaisers neue Kleider werden noch allenthalben bejubelt. Martin Auer greift für seine Burleske die Tradition des Kasperl-Theaters auf und zeichnet mit dessen Figureninventar eine solche, völlig absurde Logik nach: Weil der Prinzessin die Nase läuft und sie – obwohl darauf aufmerksam gemacht – der Mahnung zur guten Ordnung nichts anderes als ein kurzangebundenes „Na und?“ entgegen zu schleudern weiß, gerät das Pflichtbewusstsein gleich des ganzen Staates aus den Fugen.
Ungekämmt will nun der Prinz und ungewaschen der König bleiben, der Zauberer zerreißt seine Kleider und die Hexe zerschneidet ihre Schuh'. Den Höhepunkt an Selbstverstümmelung leisten Räuber und Wachmann, während die Großmutter ihr Essen anbrennen lässt und die Gretel sich die Augen ausweint. Ja nicht einmal der Kasperl kann diese Spirale mit Tendenz zur Autoaggression unterbrechen und will sein Leben im Krokodil-Schlund beenden. Was dem Krokodil in aller tragischen Konsequenz doch wenig plausibel erscheint, sodass es die Staatsaffäre auf ihre richtige Größe zurechtstutzt: „Und wegen so einem Blödsinn willst du dich fressen lassen?“
Das theatralische Potential entlockte Linda Wolfsgruber den Wunsch, die Geschichte mit Stabpuppen in Szene zu setzen. Dem folgte die Herausforderung, die Aufführung ins Bilderbuch zu bringen. Zum Anziehen der Puppen gesellte sich das Sammeln passender oder vielleicht brauchbarer Gegenstände und Arbeitsutensilien – und alles wurde ins Bild gerückt, manchmal auf dem Umweg über Zwischenkopien, die wiederum eine außerordentliche Plastizität bewirken. Und während die unmittelbaren Dialogteile in die Szenen hineingeschrieben sind, wird die eskalierende Handlung an den Außenseiten in Balken gesetzt – weiß auf schwarz. Ein Bilderbuchereignis besonderer Güte, mit Ausschneidebogen!
(Inge Cevela, Rezension in: SCHRIFT[zeichen], 2/2001)
https://www.biblio.at/rezonline/ajax.php?action=rezension&medid=10278&rezid=11204
Elisabeth Simon-Pätzold: [Rezension zu: Martin Auer/Linda Wolfsgruber, „Prinzessin Rotznase“]
Wenn man das Bilderbuch „Prinzessin Rotznase“ aus der Hand legt, hat man das Gefühl, selten ein so reizendes Buch angeguckt und gelesen zu haben. Es vermittelt einen derart spielerischen, kecken, liebevollen, leichten Eindruck, dass man spontan die Geschichte weiterschreiben will, oder dass man eine andere Menagerie an Figuren erfindet, die man nach dem gleichen Muster eine ganz neue Geschichte erleben lässt. Am besten aber man spielt es gleich einmal. Es ist nämlich durch und durch Theater. Dieses Buch setzt Phantasie frei und deshalb ist es ganz folgerichtig, dass am Ende des Buches die Kinder zum Hantieren mit den Figuren aufgefordert werden und kaum sind die Vorlagen ausgeschnitten, geht der Vorhang auf und das Spectaculum beginnt.
Die Prinzessin bringt die Geschichte ins Rollen und setzt den Anfang einer subversiven Entwicklung. Es kommen der Prinz, der König, der Zauberer, die Hexe, der Räuber, der Wachmann, die Großmutter, die Gretel, der Kasperl und das Krokodil ins Spiel. Das Rötzlein will die reizende Prinzessin partou nicht wegmachen, sondern hängen lassen. Deshalb muss sich der Prinz auch eine Ungehörigkeit erlauben. Er wird die Haare nicht mehr kämmen. Solche Nachlässigkeit kann der König nur damit beantworten, dass er sich selber nicht mehr wäscht. Der Zauberer ist verwundert, wenn der König sich nicht wäscht, dann wird der Zauberer sein schönes Gewand zerreißen. So geht das weiter. Jede Figur des Kaspertheaterensembles setzt noch eins drauf und ist sofort bereit, die Schranken der Wohlanständigkeit und der bürgerlichen Ordnung zu durchbrechen, weil ja die Obrigkeit dies auch getan hat. Die Rechtfertigung wird jedes Mal bis zum Beginn der Verursachungskette durchdekliniert: „Ich weine, weil die Großmutter ihr Essen anbrennen lässt, weil der Wachmann sich den Knüppel auf den Kopf haut, weil der Räuber sich den Bart ausgerissen hat, … weil der Prinzessin ein Rötzlein zur Nase raushängt.“
Und als dann die Reihe an den Kasper kommt, der Letzte in der Hierarchie, der Narr sozusagen, muss er die Stafette an ein Tier weitergeben. Der Kasper sagt: „dann werd’ ich mich vom Krokodil auffressen lassen.“ Das Krokodil kann nur lachen über diese Idioten. So geht es, wenn die Marotte einer verwöhnten Rotznase zum Gesetz des Handelns erhoben wird: „Und wegen so einem Blödsinn willst du dich fressen lassen?“ „Hast recht“, sagt der Kasper, „wandern wir lieber aus, denn bei so dummen Leuten kann man es wirklich nicht aushalten!“
Die Bilder von Linda Wolfsgruber zeigen die Figuren einerseits als Puppen. Sie haben aber doch so eindeutige lebendige Gesichtszüge, dass sie sehr wirklich erscheinen. Besonders gelungen ist die typographische Gestaltung von Text und graphischen Teilen. Luftig und heiter und ironisch wirken die Kollagen aus feinen Graphiken, textilen Materialien, porzellanartigen Köpfen und Textpirouetten. Linda Wolfsgruber zählt ganz sicher zu den wichtigsten Illustratorinnen des Bilderbuches.
Dass „Prinzessin Rotznase“ bis jetzt schon so viel öffentliche Anerkennungen gefunden hat, erscheint nur folgerichtig. Es ist ein wahrhaft preiswürdiges Buch.
Empfohlen ab 4.
(Elisabeth Simon-Pätzold, Rezension für: Antolin. Programm zur Leseförderung in Schulen)
Karin Gruß: [Rezension zu: Martin Auer/Linda Wolfsgruber, „Prinzessin Rotznase“]
Martin Auers „Prinzessin Rotznase“ lässt Wolfsgruber auf einem Tisch als Bühne agieren. Kostümierte Stabpuppen, kopiert und koloriert, mit Fasern, Haaren und Federn ausgestattet, treiben es bunt und raumgreifend in dieser Kasperliade und regen mit einer Bastelanleitung im Anhang zum eigenen Papierpuppenspiel an.
(Karin Gruß, Rezension in: Eselsohr. Fachzeitschrift für Kinder- und Jugendmedien, April 2013)
Bruno Blume: [Rezension zu: Martin Auer/Linda Wolfsgruber, „Prinzessin Rotznase“]
Ein Kasperltheater mit kunstvollen Stabpuppen in einem wundervollen und einzigartigen Bilderbuch. Den lustigen und frechen Text zum Thema Trotz illustrieren kolorierte Kopien von Puppen, Blumen und Blättern sowie Radierungen in künstlerischer Gestaltung.
Rezension: Es ist wieder so weit: In der Straßenbahn, im Kino und am Arbeitsplatz wird im Akkord geschnaubt. Heuschnupfenzeit. Und wer alle Taschentücher aufgebraucht hat, kommt nicht umhin, ein Rötzlein an der Nase hängen zu haben. Ob Prinzessin Rotznase Heuschnupfen hat, bleibt unklar. Auf jeden Fall hängt ihr so ein prächtiges Rötzlein an der Nase, wie der Prinz verwundert feststellt. Patzig meint sie: „Na und? Lass es hängen!“ Der Prinz antwortet prompt: „So will ich mich nicht mehr kämmen.“ Also wäscht sich der König nicht mehr. Und die Hexe zerschneidet ihre Schuhe und der Wachmann haut sich mit seinem Knüppel auf den Kopf und die Großmutter lässt ihr Essen anbrennen… Auch Kasperl lässt sich anstecken und will sich vom Krokodil fressen lassen. Das Tier fragt aber zurück: „Und wegen so einem Blödsinn willst du dich fressen lassen? Da wird Kasperl einsichtig: Hast Recht, wandern wir lieber aus, denn bei so dummen Leuten kann man es wirklich nicht aushalten!“
Dieser Schlusssatz passt natürlich wunderbar auf die politische Situation in Österreich, ist aber auch jedem Kind verständlich. Viel bedeutender ist hier ohnehin die einzigartige Gestaltung. Linda Wolfsgruber hat dank eines Stipendiums fünf Monate lang an diesem Bilderbuch arbeiten können, sich berauschen können an neuen Möglichkeiten. Und entstanden ist ein prächtiges Werk mit spürbarer Lust am Gestalten, Freude an der Arbeit und künstlerischer Kraft. Die Südtirolerin hat dafür wunderschöne Stabpuppen angefertigt, davon Fotokopien gemacht und diese eingefärbt. Zusammen mit Radierungen sowie Kopien von Blumen, Blättern und vielem mehr hat sie die freche Geschichte als Puppenspiel arrangiert, das als Bühne einen laaangen Küchentisch nutzt.
Hinten im Buch befinden sich teilillustrierte Ausschneidebögen, mit denen alle Puppen einfach ausgemalt und nachgebaut werden können. Wer diese gelungene Kombination von einfacher, lustiger Geschichte mit raffinierter, kunstvoller Illustration kaufen möchte, muss sich allerdings beeilen: Die Auflage beträgt nur 1000 Stück! […]
(Bruno Blume, Rezension in: 1000 und 1 Buch)
https://www.biblio.at/rezonline/ajax.php?action=rezension&medid=10278&rezid=11562
Elisabeth Totschnig: [Rezension zu: Martin Auer/Linda Wolfsgruber, „Prinzessin Rotznase“]
Prinzessin Rotznase ist ein seltsam irritierendes Bilderbuch. Der Prinz macht die Prinzessin auf ihr Rötzlein an der Nase aufmerksam, aber sie meint schlichtweg: „Na und? Lass es hängen!“ Dies ist nun gar nicht so ladylike, wie wir es als MärchenleserInnen von der Prinzessin erwartet hätten. Und genau dieser „rotzfreche“ Umgang mit Etikette löst eine Spirale von völlig absurden Reaktionen aus: Der Prinz will sich nicht mehr kämmen, der Wachmann haut sich mit dem Knüppel auf den Kopf. Sogar Kasperl will sich vom Krokodil fressen lassen.
Die Figuren dieses Kasperltheaters wollen gar nicht mehr ihren traditionellen Rollen entsprechen. „Prinzessin Rotznase“ erhielt den Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien und Linda Wolfgruber wurde mit dem Illustrationspreis ausgezeichnet – zurecht. Dieses Bilderbuch bricht vehement mit Sehgewohnheiten und verabschiedet sich so rigoros vom putzigen Bilderbuchklischee, dass es sich nicht unbedingt auf den ersten Blick erschließen lässt. Es fordert Zeit zum Anschauen und Entdecken!
Im Anhang finden wir Kasperl-Stabpuppen zum Ausschneiden und Weiterspielen: Sie können also das Experiment mit dem Bruch von Konventionen fortführen: Was passiert, wenn die Großmutter für Kasperl und Gretl nicht mehr kocht?
Empfehlenswert ab 4 Jahren.
(Elisabeth Totschnig, Rezension in: Unsere Kinder)
https://www.biblio.at/rezonline/ajax.php?action=rezension&medid=10278&rezid=16152