
Worte zur Musik
Friedrich Gulda, Ursula Anders
ISBN: 978-3-85252-530-3
21,5×15 cm, 160 Seiten, Hardcover | 2. Aufl.
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Kurzbeschreibung
Der international berühmte Musiker kommentiert, kritisch reflektierend, Notizen und Niederschriften. Hier geht es unkonventionell und ohne Kompromissbereitschaft um die Sache der klassischen und modernen Musik:
Erfahrung und Einsicht als Provokation und »Anstoß«.
Das vorliegende Buch ist eine Zusammenstellung von Gedanken oder Gedankengängen, die sich im Lauf der Zeit, auf Reisen, daheim, zu verschiedenen Gelegenheiten, meist jedoch ohne unmittelbaren Anlass, in meinem Notizbuch oder Taschenkalender oder auf losen Zetteln angesammelt haben. Natürlich betreffen sie zum überwiegenden Teil das Gebiet, dem ich mein Leben widme, dessen Fragen mich tagaus, tagein beschäftigen: das der Musik. Da aber diese kein isoliertes Phänomen ist, sondern ein Spiegel allen Geschehens, reichen sie oft auch in andere Bereiche hinein oder tragen den Charakter allgemeiner Beobachtungen.
Ursprünglich hatte ich den Plan, die Aufzeichnungen einfach chronologisch – sie stammen aus der Zeit von 1953 bis 1970 – zu ordnen, nichts wegzulassen und nichts hinzuzufügen, um größtmögliche Unmittelbarkeit – wie dies bei Tagebüchern oder Briefsammlungen wünschenswert ist – zu erreichen. Von diesem Plan musste ich nach einiger Überlegung aus drei Gründen abgehen: Erstens waren nicht alle Aufzeichnungen von gleichem Interesse. Besonders jene, die sich – oft aus Anlass eines missglückten oder besonders geglückten Konzertes – mit allzu fachlich‑engen Fragen des Klavierspiels, wie Fingersatz, Pedalisierung und dergleichen, beschäftigen, wurden Gegenstand einer rigorosen Sichtung, und nur einige wenige dieser Art, nämlich solche, die über die bloße »Fachsimpelei für Pianisten« hinausgehen, schienen mir der Aufnahme wert zu sein. Zweitens musste ich – contre coeur, wie ich gern gestehe – mitunter von der streng chronologischen Reihung abgehen, um leichtere Überschaubarkeit von Gedankengängen zu gewährleisten, welche oft Jahre auseinanderliegen, inhaltlich jedoch zusammengehören. Dem Leser wird damit umständliches Herumblättern erspart; leichtere Verständlichkeit ging mir in diesen Fällen vor biographischer Exaktheit, die hier allzusehr in die Nähe von überflüssiger, ja störender Pedanterie geraten wäre. Von solchen – allerdings zahlreichen – Ausnahmen abgesehen, habe ich die Chronologie beibehalten: Entwicklung bleibt sichtbar. Schließlich: Da viele Notizen nur den Abschluss oder das Ergebnis einer längeren Gedankenkette bilden, gleichsam die Landung nach dem Flug darstellen, ohne Kenntnis des vorausgegangenen »Flugweges« jedoch oft schwer‑ oder missverständlich bleiben müssen (dies wurde mir in Gesprächen mit Freunden klar, denen ich nur die nackten Originalnotizen zu lesen gab), beschloss ich, erklärende Kommentare dort anzufügen, wo ich dies zum richtigen Verständnis für nötig hielt. Oft erfüllen diese Kommentare auch die Funktion einer Brücke von einer Aufzeichnung zur nächsten, manchmal sind sie auch ergänzende »Situationsberichte«. Zur besseren Unterscheidung sind sie in kleinerer Schrifttype gedruckt. Sie stammen alle aus dem Jahre 1970, bemühen sich aber gleichwohl, den ursprünglichen Gedankenhergang, seine Wurzeln, Verzweigungen, Implikationen und Konsequenzen anschaulich zu machen. Was letztere betrifft, mag allerdings viel von 1970 eingeflossen sein, d. h. Dinge, die mir zur Zeit der Originalnotiz noch nicht klar waren; wodurch die Kommentare nicht nur rekonstruktiv‑biographisches, sondern darüber hinaus – so scheint es mir – auch prinzipielles Interesse haben dürften.
Im Anschluss daran mag man vielleicht fragen: Warum gerade 1970 als Zeitpunkt für die Zusammenfassung dieser Notizen? Warum nicht zwanzig oder gar dreißig Jahre später, wenn das ganze, nicht nur das halbe Leben überschaubar geworden ist? Darauf wäre zu antworten: 1970 wurde ich vierzig Jahre alt und empfand wie so viele andere dieses Datum zwar keineswegs als Ende, wohl aber als Wende. Und ist nicht eine Wende im Leben ein besserer Anlass fürs Innehalten, Überblicken, Zusammenfassen als das Ende? Denn dann ist es ja zu spät, um aus Erfahrungen zu lernen.
(Friedrich Gulda, „Zur Einführung“)
[Ergänzt & hrsg. von Ursula Anders]
Rezensionen
Beate Hennenberg: Notizen und Niederschriften, kritisch kommentiert und reflektiert, aus der Feder des Pianisten Friedrich GuldaAlfred Brendel tat es, Midori und Gidon Kremer taten es, viele Großen aus dem Musikbusiness haben es getan: Sie setzten sich mit ihrem künstlerischen Handwerk, dem Musikmachen, philologisch auseinander. Dabei ging und geht es naturgemäß weniger um wissenschaftliches Einkreisen spezieller Problemfragen, sondern, wie auch bei Friedrich Gulda, meist um „Gedankengänge aus dem Gebiet der Musik, […] das mich tagein, tagaus beschäftigt“. Musik ist für Gulda ein Spiegel alles Geschehens. Die Gedanken tragen bei ihm den „Charakter allgemeiner Beobachtungen“.
Gulda, ein 1930 in Wien geborener und 2000 am Attersee verstorbener Konzertpianist und Jazz-Musiker, hat sich musikalisch auf der ganzen Welt umgesehen. Seine musikalische Fortbildung, nachdem er das klassische Klavierspiel ausgefeiltest beherrschte, genoss er „speziell in den Discos von Ibiza“. Den Beethoven-Ring der Musikakademie hat er zurück gegeben, da man dort die Studenten zu Nachbetern, nicht zu Revolutionären erzöge. Und vor allem hatte er es immer mit Mozart; man müsse sehen, „dass seine Musik ungeheuer tänzerisch ist und in einem ganz hohen, wenn auch übertragenen Sinn mit Techno zusammenhängt“. Die Sentenzen sind allesamt lesenswert, etwa: „Spiel jeden Ton so, als ob es um dein Leben ginge!“ (1954), „Dissonanzen gibt es nicht. Nur der Grad der Spannung im Verhältnis zum Grundton ist verschieden“ (1964), „Was swingt, ist gut, was nicht swingt, ist schlecht, zumindest überflüssig“ (1957).
(Beate Hennenberg, Rezension für: bn.bibliotheksnachrichten)
https://www.biblio.at/rezonline/ajax.php?action=rezension&medid=17722&rezid=20825
Weitere Bücher des Autor*s im Verlag:
Friedrich Gulda – Wanderer zwischen Welten
Friedrich Gulda – Wanderer zwischen Welten [Buch mit DVD]
Konzertverzeichnis