Zeus schau owa
Platon: Die Apologie des Sokrates · [nichtinnviertlerisch | innviertlerisch]
Hans Kumpfmüller, Platon
ISBN: 978-3-85252-599-0
21×12 cm, 80 Seiten, Hardcover
€ 13,00 €
Lieferbar
In den Warenkorb
Kurzbeschreibung
l. [17a] Was wohl euch, ihr Athener, meine Ankläger angetan haben, weiß ich nicht: ich meines Teils aber hätte ja selbst beinahe über sie meiner selbst vergessen; so überredend haben sie gesprochen. Wiewohl Wahres, daß ich das Wort heraussage, haben sie gar nichts gesagt. Am meisten aber habe ich eins von ihnen bewundert unter dem vielen, was sie gelogen, dieses, wo sie sagten, ihr müßtet euch wohl hüten, daß ihr nicht von mir getäuscht würdet, weil ich gar gewaltig wäre im [b} Reden. Denn daß sie sich nicht schämen, sogleich von mir widerlegt zu werden durch die Tat, wenn ich mich nun auch im geringsten nicht gewaltig zeige im Reden, dieses dünkte mich ihr Unverschämtestes zu sein; wofern diese nicht etwa den gewaltig im Reden nennen, der die Wahrheit redet. Denn wenn sie dies meinen, möchte ich mich wohl dazu bekennen, ein Redner zu sein, der sich nicht mit ihnen vergleicht.
l. [17a] bassz auf, leidl, wia eng de viakemma hand, deme do odiwed homd, des woase ned. owa i miias scho song, i hedme boid säim nimma dakennd, a so isma des dureaus & dureou gonga, wos de iwa mi daheagredd homd – & wiass gredd homd & wia gschmiad smai gonga is. grod bein easchdn lug is hoid a koana daschdiggd vo de. & wiass donn nu gmoad a homd, es soiz an bong um mi ume mocha & eng vo mia ned bflanzn lossn, wei des, wose sog & wia es eng vaglinggad, wa gfeale, [b] des hod an fassl donn scho an bom duachegrennd. dass owa iwahaubsd koan scheniara homd, weisse e nu boid gnua aussaschdoin wead, das vo gfeale bei mia iwahaubd koa red sei ko, des is fia mi nu de gressde sauarei. es kundd owa a leichd sei, dass a onxd voa an sechan homd, dea eana dwoaheid sogd. wonns owa des is, donn wa i da lezzd, deass ned zuagab, das sei gredad do wos exdrex is, a wonn des, wose sog, ned eanan gschmo hod.
Diese nämlich, wie ich behaupte, haben gar nichts Wahres geredet; ihr aber sollt von mir die ganze Wahrheit hören. Jedoch, ihr Athener, beim Zeus, Reden aus zierlich erlesenen Worten gefällig zusammengeschmückt und aufgeputzt, wie dieser ihre waren, keineswegs [c] sondern ganz schlicht werdet ihr mich reden hören in ungewählten Worten. Denn ich glaube, was ich sage, ist gerecht, und niemand unter euch erwarte noch sonst etwas. Auch würde es sich ja schlecht ziemen, ihr Männer, in solchem Alter gleich einem Knaben, der Reden ausarbeitet, vor euch hinzutreten.
i drauma scho song, das bei eana koa oazex woas wöaddl dabeiquen is. bassz auf, leidl, i wea enx bfeigrod äs xichd eisong, wiass wiaggle is. vo mia griagz des zhean, wosma grod einfoid, ned grod a so a sches xogarad wia vo de ondan. & i wea a ned long bei de sehen schbrich umanodaglaum {c}, wei i woass, dase rechd ho, & wos ondas brauchze koana vo mia eawoaddn. wei des wa jo nu des schena, leidl, wonne iazd auf meine oin dag a aufoamoi mid so labbesche danz daheakammad, wia wonne nu a gloana bua wa.
Indes bitte ich euch darum auch noch sehr, ihr Athener, und bedinge es mir aus, wenn ihr mich hört mit ähnlichen Reden meine Verteidigung führen, wie ich gewohnt bin auch auf dem Markt zu reden bei den Wechslertischen, wo viele unter euch mich gehört haben, und anderwärts, [d] daß ihr euch nicht verwundert noch mir Getümmel erregt deshalb. Denn so verhält sich die Sache. Jetzt zum erstenmal trete ich vor Gericht, da ich siebzig Jahre alt bin; ganz ordentlich also bin ich ein Fremdling in der hier üblichen Art zu reden.
bassz auf, leidl, oas mechddama scho ausdrong: wonnzma iazd a so zuaheaz, dengz eng amendd, iazd redda do a scho a so dahea wia am moagd bei de schdandia – wei duadd homdma jo do scho vui vo eng zuakead – oda woasgodwo sunsd, donn brauchz eng zweng den wiaggle ned [d] owedoa & dreiblean. des is nemle leichd eaglead: i ho scho an siebzga am bugl & schde owa heid seaschde moi voan grichd. & des gredad, des do hearin vabrochd wiad, is ned des mei. schdoiz eng iazd amoi via, i wa a wuidfremda, donn druggaz a a aug zua, wonne a so redad
Rezensionen
Hans Eichhorn: [Rezension]Hans Kumpfmüller übersetzt Platons Apologie des Sokrates ins Innviertlerische.
Im Dezember letzten Jahres wurde im Stifterhaus ein Buch vorgestellt, das in mancherlei Hinsicht bemerkenswert ist. Hans Kumpfmüller hat sich Platons Verteidigungsrede vorgenommen und sie ins Innviertlerische übersetzt. Als Vorlage diente die deutsche Version Friedrich Schleiermachers, die von Matthias Donath bearbeitet wurde. Der Herausgeber Richard Pils hat linksseitig die Vorlage drucken lassen und auf der rechten Seite die innviertlerische Übersetzung.
Zwei Fragen fallen mir sogleich ein: Wie kommt Hans Kumpfmüller auf diesen Text? Und was geschieht mit so einem Text, wenn er ins Innviertlerische übersetzt wird? Eine Antwort auf die erste Frage finde ich auf der vorletzten Seite des Buches in der Kurzbiografie des Autors, wo es heißt: Hans Kumpfmüller schreibt in Hoch- und Tiefsprache, fotografiert mit Subjektiven verschiedenster Brennweiten. Ein Produkt dieser Ansage haben wir vor uns. Die Antwort auf die zweite Frage muß ich mir, Satz für Satz, ich gestehe es, manchmal Wort für Wort erlesen und erarbeiten. Doch zuerst: Wer war dieser Sokrates? Die Philosophiegeschichte lehrt uns, daß das Orakel von Delphi ihn als den „Weisesten aller Griechen“ bezeichnet. Dem gegenüber oder eben gerade diesen Titel unterstreichend, hält er seinen Kernsatz: „Ich weiß daß ich nichts weiß.“
Er ist der unermüdliche Fragensteller, den das allzu sicher geglaubte Wissen seiner Gesprächspartner in Zweifel zieht und sie ermahnt: „Schämst du dich nicht, für Geld zwar zu sorgen, für Einsicht aber und Wahrheit und für deine Seele, daß sie sich aufs beste befinde, sorgst du nicht?“ Damit schuf er sich nicht nur Freunde, sondern auch erbitterte Gegner, die schließlich Anklage gegen ihn erhoben. Sokrates verdirbt die Jugend, hieß es, er verehrt nicht dem Brauche gemäß die Götter und er führte neue göttliche Wesen ein. Zu allen drei Anklagepunkten nimmt Sokrates Stellung, und zwar in einer Unerschrockenheit, die ihm die Richter, als Anmaßung auslegten und die schließlich zu seiner Verurteilung führt.
Was leistet jetzt ein Text, der zur philosophischen Weltliteratur zählt, im Innviertler Dialekt? Zunächst findet eine Eingrenzung statt. Die Adressaten sind jene, die den Innviertler oder im weitesten Sinne den oberösterreichisch-bairischen Dialekt sprechen. Obwohl das Thema brisant bleibt, immerhin geht es um Leben und Tod, wird es von der hehren Philosophiegeschichte in den Alltag heruntergeholt. „bassz auf, leidl“. Ob vom Autor beabsichtigt oder nicht wird der Text zu einem Lehrstück der Zivilcourage. Und genau dieses „kleinere“ Thema der Zivilcourage ist es, das der Text im Innviertler Dialekt für mich darstellen und leisten kann und auch tut. Insofern wieder hochbrisant, denn es heißt Stellung zu beziehen und sicher geglaubtes Wissen wieder und wieder zu befragen oder befragen zu lassen.
Doch wie eingangs erwähnt, bedarf es einiger Ausdauer, um sich den geschriebenen Dialekt anzueignen. Die sokratische Philosophie lebt von der Rede, er hat ja kein einziges geschriebenes Wort hinterlassen. Das meiste über ihn und sein Denken erfahren wir durch die Schriften seines Schülers Platon. Auch der Dialekt lebt vom gesprochenen Wort, und es ist hilfreich, sich die Sätze lauf vorzusagen. Heruntergeholt vom hohen Roß der Philosophie und hineinverpflanzt ins Innviertlerische Idiom verliert der Text zwar an Allgemeinheit, gewinnt aber andererseits intimen Raum. Um das zu verdeutlichen, seinen zwei Sätze zitiert. Seite 9 heißt es in der Vorlage: mir gebührt, dem Gesetz zu gehorchen und mich zu verteidigen. Kumpfmüller überträgt: i muas auf jen foi doa, wosse kead & i muasme auf dfiass schdoin.
Oder auf Seite 69: Denn weder vor Gericht noch im Kriegte ziemt es weder mir noch irgend jemandem, darauf zu sinnen, wie man nur auf jede Art dem Tode entgehen möge, dazu die kumpfmüllersche Version: des is iazd oading, obe voan grichd schde oda an griag bi, nianx deafame soweid hireissn lossn, dase jen schmoan dua, grod dassme ned umbringand. Ich denke, Hans Kumpfmüller ist mit seinem Übersetzungprojekt ein großes Wagnis eingegangen, weil er einen Text aus dem Kanon der abendländischen Kultur nimmt, ihn transkribiert in sein Persönliches, Intimes, in seine Sprache und damit sich selbst in die Waagschale wirft und sich preisgibt. Freilich ist diese Sprache lustvoll und zum Schmunzeln, schrammt oft an der Verniedlichung vorbei, wen man da beispielsweise liest, de bolidegga für Staatsmänner, soaraggl/Orakel oder gschboassex für Wunderbares, aber der durchgehende Anspruch, bzw. Mahnspruch bleibt bestehen, das gilt für den klassisches Text wie für die innviertlerische Version, er lautet: Erkenne dich selbst.
Kumpfmüller ist dieses Wagnis eingegangen, er hat es bravourös gemeistert, hat ein nachdenklich machendes und auch zum Schmunzeln anregendes Buch vorgelegt. Nachdenklichkeit und Schmunzeln, das gehörte auch zum Kontext im Stifterhaus als kongenial besetzt Hofrat Dr. Johann Lachinger die schleiermachersche Vorlage las, Hans Kumpfmüller seine Transkription und Stephan Gaisbauer die Einführung gab, die gespickt war mit griechischen Originalzitaten.
(Hans Eichhorn, Rezension in den Oberösterreichischen Kulturberichten #05/2005)
Weitere Bücher des Autor*s im Verlag:
blasdeggfensdaln
goidhaum & logahauskabbe
RUAM SUAM
ruam suam [CD]
sauschdoidialgraffiti
Stiefmutterland & Großvatersprache