
Joseph Holey
Seit 1755 war die Familie Holey als Glasschleifer im Isergebirge tätig. Der vitri politor setzte die Familientradition in sechster Generation bis 1984 fort.
Geboren wurde Josef Holey am 3. Jänner 1899 in Wiesenthal bei Gablonz an der Neiße.
1915 wird er durch Erbschaft Inhaber der Firma Anton Hittmann & Söhne, wo er etwa 40 Glasschleifer für Lusterbehang beschäftigt.
Nach der Matura 1916 beginnt er eine Handelsausbildung in Prag und leistet 1917 kurze Zeit Armeedienst.
1922 übernimmt er ein Lager von 3000 gravierten Behangformen aus Paris.
1945, noch als Segelflugausbildner in den Niederlanden, gerät er in Britische Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung knüpft er Kontakte zu Hamburger Glasexporteuren.
Sein alter Betrieb in Böhmen wird verstaatlicht, ein Großteil der Schleifer vertrieben.
1946 entdeckt er das Barackenlager in Trappenkamp, in dessen ihm zugewiesenen Bunker G3 er bis zu seinem Lebensende arbeiten und wohnen wird.
Er gründet hier sein Familienunternehmen neu unter dem Namen Anton Hittmann Söhne. Mit angeworbenen Flüchtlingen aus der Gegend von Gablonz baut und repariert er kleine Luster und betreibt mit 54 Angestellten seinen Glasdruckerbetrieb.
Da es kaum Publikationen zum Thema gibt, beginnt er seine Forschungen zur Entstehung des Kristalllusters in Europa.
1959 setzen umfangreiche Korrespondenzen mit Adressaten in Wien ein, so mit Hans Harald Rath, Inhaber Lobmeyr, mit Prof. Dr. Hans v. Bertele Grenadenberg von der Wiener Technischen Hochschule und mit Gerhard Tschinkel, Inhaber Jos. Zahn & Co.
In den kommenden zwanzig Jahren bereist er mit Unterstützung der Wiener Sponsoren und anderer Interessierter ganz Europa. Er sammelt Dokumente, Fotos (leider so oft ohne diese zu beschriften!) und beginnt kleine Schriften zu publizieren. Ein Vortrag von Rath am Internationalen Glaskongress mit dem Titel Glas für Repräsentationsbeleuchtung und die Schrift zu Guiseppe Briatti von Rudolfo Gallo von 1962 ermutigen ihn, hier weiterzumachen. Ein von Rath dafür erbetenes Stipendium des Corning Museums über US$ 4.000.- kommt dann nicht zustande.
1964 wohnt Holey bei seinen Förderern in Wien, er studiert die Hofreitschule, die Bauten des Prinzen Eugen und die Hofburg. Er nimmt Kontakt auf zu Dr. Wilhelm Mrazek vom Wiener Museum für Angewandte Kunst, mit dem Ziel, die europäischen Museen zu ermahnen, den Kristallluster, so wie jeden musealen Biedermeierbecher auch, endlich als selbständiges Kunstwerk innerhalb der Glassammlung zu pflegen und zu erforschen. Prof. v. Bertele, Wien, und Willi Hans Rösch, Baden, empfehlen in ihren Korrespondenzen, er solle in Kunstzeitschriften kapitelweise in einer Serie zum Kristallluster zu publizieren.
Holeys visionäres Ziel ist es jedoch, vom Glasvirus infiziert, eine Spezial-Encyclopedie des Kristall-Kronleuchters im Team mit Wissenschaftlern und Studenten aus ganz Europa zu verfassen. Als wissenschaftlichen Leiter empfiehlt auch Stefan Rath, den anerkannten Kunsthistoriker Oberkurator Dr. Dieter Rentsch aus Karlsruhe. Vater und Sohn Hickisch aus Rheinbach wollen das inzwischen bekannte Holey Archiv ebenfalls mit bearbeiten.
In seinen Veröffentlichungen vertritt Holey die Meinung, dass die frühesten Habsburgerluster mit Eisengestell aus Meran kämen. Diesen ganz ähnlich seien die Stefansluster aus dem Wiener Dom (siehe die 14 Lobmeyr-Zeichnungsfolianten im Museum für Angewandte Kunst in Wien).
Notizen Holeys zu seiner Österreichreise aus diesem Jahr geben Peter Rath tiefen Einblick in die alpenländischen Luster und ihre sehr eigenständige Entwicklung, von Bayern über das Reich Karls VI. und Maria Theresia bis in unsere Tage.
Besonders beeindruckt ist Holey vom Luster in der Kirche in Wurmbrand im Waldviertel.
Endlich schreibt und veröffentlicht er, nach Korrektur durch E. Hikisch, im Stifter Jahrbuch VIII. (Edmund Gans Verlag, München) sein wichtigstes Büchlein Der Kristallkronleuchter – seine Entstehung und Entwicklung, bei dessen Zusammenstellung Peter Rath bereits mitgeholfen hat. Mit der Übernahme seines Nachlasses sollte diese kleine Schrift Rath später den Mut zu einer eigenen Publikation geben. Auch zu den Lustern der Wiener Hofburg will Rath schreiben, um diese einmal zu inventarisieren.
Holey untersucht damals auch zwei sehr alte Lusterruinen, die Peter Raths Vater in Prag gefunden und erworben hat (siehe Diplomarbeit Eva Putzgruber).
1968 publiziert Holey im Jahrbuch des Altoner Museums Die Glasarmluster im Jenisch Haus. Dieser Artikel weckt das Interesse für diesen Europäischen Luster.
In diesem Jahr beschäftigt sich Holey weiter intensiv mit der Entstehung dieser Gattung: Die Prinz-Eugen-Luster aus Schloss Hof bei Wien sind nach seinen Messungen aus Bleiglas! Allerdings handelt es sich dabei wohl um Glasarmkronen aus Holland (oder Lüttich).
Er schreibt außerdem über die Erfindung Perottos und die Kronleuchter aus der Hütte Nevers der Gebrüder Gaillard sowie über frühe Luster aus Murano. Bezüglich Letzterer meint er, diese seien wohl erst nach 1737 mit all den glastechnischen Neuerungen über Meister G. Briati nach Wien gekommen.
1969 beschäftigt sich Holey mit Skandinavien und lobt hier das Buch von Christian Waagenpetersen Lysekroner fra gotik til klunketid unter anderem für die guten Bilder. Er forscht nach Namen von Händlern und Glasmachern, auch nach Schleifern aus Böhmen, die in Glasfabriken Skandinaviens ja bis heutzutage zu finden sind.
1972 ist er zur Eröffnung des Werkstättenhauses Zahn wieder in Wien.
Gemeinsam mit Lobmeyr ist er nach wie vor von der Notwendigkeit der Realisierung seiner Idee einer Enzyklopädie des Kristallkronleuchters überzeugt.
1973 veröffentlicht er Die Geschichte vom Stras, in welcher er die Wiener Stasser-Legende ablehnt.
Besuche in Würzburg, Moritzburg und Schloss Pilnitz folgen. Er knüpft Kontakt zu Dieter Rentsch, der den berühmten Luster in Schoss Favorite bei Rastatt beschrieben und restauriert hat. Er gibt Anregung zu einer eigenen Sammlung Glasbehänge für Kronleuchter seit dem 17. Jahrhundert, die mit der Einrichtung einer Abteilung Glastechnologie am Deutschen Museum Berlin kombiniert werden solle.
Holey pflegt Kontakte zur Wiesenthalhütte und zu Ludwig Breit, zu Robert Charlston und Ada Polak.
Infolge eines Artikels von Willy Hans Rösch in der Berliner Lichttechnik kommt es zu Debatten über Stass und zur Frage des Beginns der Glasdrückerei mit der Zange. Nach Holeys Meinung ist wohl England hier bahnbrechend gewesen.
1978 reift seine Idee zu einem umfangreichen Buch über die Ergebnisse all seiner Forschungen (Das große Buch), leider kommt er selbst jedoch über seine reiche Sammlung an Rohmaterial nie hinaus. Er brennt wahrlich für sein Thema, Befürworter seiner Arbeit ist in Fulda Oberbaurat Ernst Kramer. In Frankfurt betont Baron Dr. Ludwig Döry: „Nur die Zusammenarbeit von Historikern mit Nichthistorikern (Handwerkern) kann Erfolge gewährleisten“. In München unterstützt ihn Willy Hans Rösch.
1979 ist Holey wieder in Wien: „Hab die Nase voll! – da niemand etwas über Zeit und Herkunft der Luster Bescheid weiß!“ 1980 kommt er zur 200-Jahr-Feier der Firma Jos Zahn & Co nochmals nach Wien. Er reist resigniert ab: „Meine Studium über den Ursprung und die Entwicklung des Kristall- Glaslusters scheitert, weil niemand Bescheid weiß, niemand sich damit befassen will oder Zeit hat, nach Unterlagen zu suchen!“
1984 stirbt er in Trappenkamp bei Neumünster.
Zwei seiner Aussprüche, die er einem Psychologen gegenüber äußert, sind für seine gesamte Arbeit und für seine Einstellung zum Kronleuchter und dessen so wenig bekannte Geschichte charakteristisch: „Ich entscheide schnell, manchmal vorschnell – aber sonst bin ich ganz umgänglich.“
Und nach einem Besuch in Wien, wo es um den sogenannten Maria Theresia Luster ging: „Ich bin der Einzige und Letzte, der das machen kann!“
Manch ein Wissenschaftler wird ihn darob gering schätzen, so wie möglicherweise auch Peter Rath, der ebenfalls nie akademisch im Formalsystematischen geschult wurde.
1986 erwirbt Rath von Josef Holeys Sohn Walter aus Ludwigsburg, mit Vereinbarung vom 1. März, dessen wissenschaftlichen Nachlass, mit alleinigem Recht zur Auswertung.
Rath verpflichtet sich aber, bei allen seinen darauf basierenden Publikationen Josef Holey als Mitherausgeber zu nennen. Der Nachlass beinhaltet auch andere Forschungsthemen, wie etwa Untersuchungen zu dem Ortsnamen Gabel, Gablonz, zu den ältesten Glashütten in Böhmen oder zur Mineralogie von Bergkristall und anderen Halbedelsteinen.