Lorbeerreiser
Über eines österreichischen Matrosen erste und Kaiser Maximilians letzte Fahrt ; Roman
Robert Gratzer
ISBN: 978-3-85252-357-6
21 x 15 cm, 250 S., Hardcover
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Kurzbeschreibung
Tunis, November 1851
Wie nach einer unappetitlichen Geschichte das Füllhorn des Südens über das Deck sich ergoss
Den Turbanträger mit dem nackten Oberkörper ekelte, er schlug nicht mit dem berufsmäßigen Gleichmut wie sonst zu, sondern aus Ärger über die Besudelung hart und kurz, um zwischen den Streichen gleichsam zurückzuspringen; er setzte längst die entfernteste Spitze des etwa anderthalb Meter langen Stocks klatschend auf die Fußsohlen des Delinquenten und hatte das allerletzte Stück des entgegengesetzten Endes in der Hand, und während des Streiches schützte er mit dem linken Arm sein Gesicht vor den Blutspritzern, und jeweils nach einem Streich sah er angewidert und verärgert an sich hinab: Sein nackter Oberkörper war vom Blut dieses Idioten da auf der Bank besudelt und auch seine gepluderten Hosen.
»Sechsundzwanzig«, zählte laut sein nebenan stehender Gehilfe, wohlweislich so weit nebenan, daß er von den Blutspritzern nicht erreicht wurde: Und »siebenundzwanzig«, und der Henker wischte ärgerlich mit der linken Hand über seinen Oberkörper und formte einen schmierig-roten Streifen dort, wo bis dahin das Blut in Tropfen und Spritzern einigermaßen fein verteilt gewesen war. Der Delinquent war bei »zweiundzwanzig« zuletzt ohnmächtig geworden; der Gehilfe hatte einen Eimer Wasser über dessen Kopf gekippt, auf daß die Strafe bei Bewußtsein des Delinquenten vollzogen werde; andernfalls wäre der Vollzug unrechtmäßig gewesen, hätte abgebrochen und anderntags fortgesetzt werden müssen – das aber widerstrebte dem Henker, er wollte die Schweinerei möglichst bald hinter sich bringen.
Beim »achtundzwanzig« seines Gehilfen fluchte der Henker ganz unislamisch, das »neunundzwanzig« schlug er aus Wut mit seiner ganzen Kraft – und dann hing der Delinquent wieder schlaff auf der Strafbank, diese erbärmliche Kreatur, die ihm die Arbeit erschwerte und den Tag so verdarb: Denn nicht war gewiß, daß an diesem Abend, wenn er von der Arbeit nach Hause gehen würde, Wasser im Brunnen sein würde, und über die Miene, die seine Frau angesichts der blutigen Kleider aufsetzen würde, ärgerte er sich jetzt schon so sehr, daß er das »dreißig« auf die Fußsohlen eines schon wieder bewußtlosen Delinquenten drosch. Der Gehilfe hob die Hand, um das Verfahren zu unterbrechen, kurbelte den Eimer aus dem Brunnen und setzte an, den Delinquenten wieder an den Tag zu holen.
Der schnappte, im Wasserguß, nach Luft und ruderte mit den Armen, und bei »einunddreißig« und bei »zweiunddreißig« gab er schwache Laute von sich, die eigentlich Schreie hätten werden sollen. Danach hörte das Blut zu spritzen auf: Die längst geplatzte Haut der Fußsohlen war leer geworden und hing schlaff in Fransen und Fetzen zu Boden. Bei »achtunddreißig« lösten sich die Sehnen des linken Mittelfußes auf und die Knochen fielen auseinander; der rechte war noch halbwegs in seiner Gestalt, aber auch er würde die fünfzig Stockschläge nicht überstehen. Bei »vierzig« wickelte sich ein Fetzen Haut und Fleisch um das Stockende; der Henker schüttelte es ärgerlich ab und schleuderte es von sich.
Endlich bei »fünfzig« angekommen und die Arbeit hinter sich gebracht habend, warf der Henker den Stock wütend fort, drehte sich um und ging mit abgespreizten Armen weg, um sich zu waschen. Der Delinquent starrte mit glasigen Augen in den Himmel; sein linker Fuß war bis zum Knöchel aufgelöst, sein rechter war ein unförmiger Klumpen aus Haut und Knochen. Einige Fliegen setzten sich in den warmen Brei, und hinten stand der Feldscher bereit: Wenn der Delinquent sich einigermaßen erholt haben wird, würde er jene Knochen und Gewebeteile abschneiden, die nicht mehr heilen würden. Auf den Knöcheln würde der Mann, wenn er sich auch hockend fortbewegen werde müssen, immerhin noch lange leben zu Ehren Allahs und des Beys.