Restplatzbörse
Roman
Karin Ivancsics
ISBN: 978-3-99028-011-9
19 x 12 cm, 154 Seiten, Broschur
€ 12,00 €
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Kurzbeschreibung
Eine Reisegesellschaft befindet sich auf dem Heimweg vom Tauchurlaub. So heterogen wie die verschiedenen Angebote der Restplatzbörse eines Reisebüros sind auch die unterschiedlichen Charaktere, die wechselweise im Zentrum der einzelnen Szenen dieses Buches stehen.
Knapp und präzise schildert Karin Ivancsics ihre Befindlichkeiten und Überlegungen, verortet sie jeweils in kurzen Ausschnitten des Reisealltags und führt der Leserin/dem Leser einen äußerst lebendigen Ausschnitt unserer gegenwärtigen Gesellschaft vor Augen. Die einzelnen Passagen variieren auch in Erzählinstanz und -perspektive, wobei der fesselnde Erzählrhythmus der Autorin stets als gelungenes Bindeglied fungiert. Ein Gesellschaftsporträt von hohem stilistischen Reiz.
Bei den ersten Exkursionen werden erste Exemplare mitgenommen und eingesammelt, eher en passant und ohne auf Details und Besonderheiten zu achten: Beispiele und Vertreter aus dem „gemeinen Volk“, Scherben und Bruckstücke von raren Exemplaren. In der zweiten Phase wird das Augenmerk auf Verstecke und Nischen gelenkt: In diesen findet man am ehesten unversehrte und seltene Prachtstücke, man muss ab und zu mit einem Stock im Tang oder im Müll herumstochern, um sie freizulegen. Sobald man sich einen ansehnlichen Vorrat an Vertretern der begehrtesten Arten zugelegt hat – so ist es nun mal, das Alltägliche und stets Vorhandene birgt weniger Reiz? –, darf man mit dem Aussortieren beginnen: die schönsten bleiben übrig, „Architectonica maxima“.
Dieser Stress ist also erledigt und weg, und man beginnt von Neuem den Strand zu durchkämmen, diesmal entspannter. Mit geschultem und routiniertem Auge entdeckt man nun die Besonderen unter den Normalen, und mitunter stolpert man beinahe über die Exoten, mit denen man eigentlich abgeschlossen hatte und die sich einem nunmehr plötzlich und unerwartet darbieten.
Rezensionen
Herbert J. Wimmer: [Rezension von: Karin Ivancsics, „Restplatzbörse“]zwischen hotel und flugzeug, nach der abreise, ergibt sich für eine kleine herde von all-inclusive-touristen ein unerwarteter aufenthalt, die maschine wurde stoniert und die gruppe muss in einem hotel am flughafen auf die weiterreise warten. eine ideale zwischenzeit-situation für die autorin, die sie ja konstruiert hat, um ihr figuren-ensemble in aller erzähl-ruhe präsentieren zu können.
sehr lapidar und sarkastisch, aber nicht hämisch, enwirft sie mit ihren menschen im hotel ein puzzle touristischen alltags, wie er überall auf der welt zwischen den wendekreisen des krebses und des steinbocks stattfindet, mit der einschränkung, dass sie ihre personen aus dem österreischischen und deutschen fundus schöpft.
zufällig zusammengewürfelt in doppelzimmern, nach männern und frauen getrennt, purzeln die (lebens)erinnerungen in die gegenwart, präsens- und imperfekt-wellen laufen ineinander, wobei natürlich die allgemeinen und die spezifischen urlubserinnerungen noch besonders deutlich vorhenden sind.
nicht mehr jung und noch nicht willens, sich als alt zu verstehen, bewegen sich diese menschen auf ihren reisen mental um keinen millimeter. sie bestehen aus lebensgeschichtlichen versatzstücken, psychologischen vorfabrikaten und erwartungen-wünschen-sehnsüchten, die allesamt dem standardrepertoire der unterhaltungsmedien entstammen. nicht wirklich unglücklich und nicht wirklich befriedigt, reproduziert sich ihnen eine mischung aus vorabendserie, bildungsbürgerlichen reflexen und wellness-körperbewusstsein in enzyklopädischer dichte.
musterhaft passen sie in die par muster des touristischen angebots, in die zeit-stücke aus zwei bis drei wochen, mal tauchen, mal ausflüge machen, mal mit den animateuren, ml ohne sie, in kurzen, kontrollierten ausbrüchen aus den beschützten kavernen der resorthotels.
musterhaft auch, wie Karin Ivancsics die listen der seelischen und sozialen biografien ihren figuren zuornet, mehr österreichische als deutsche profile schafft, nicht unähnlich der geschichten-melange im österreichischen fernsehen. fred und john/johann, birte, herbert, erich und veronika empfinden sich in der sprache der werbung, in den beschreibungsformeln der illustrierten, der talk-shows und lebenshilfe-programme. sie ereleben sich als die, von denen in den berichten, die sie ständig konsumieren, gesprochen wird, und entwerfen sich – je nach ihren genre-vorlieben – als mal begeisterte, mal widerstrebende mitspieler im lebenslang sie spiegelnden entertainment-alltag.
es ist ein alltag, der aus einer lateneten unzufriedenheit besteht, die sich aber nicht verändern soll; es fehlt zwar nicht nur an sex, sonern auch an liebe, aber nicht so sehr, die einsamkeit mag lästig sein, die alternativen dazu aber sind es noch viel mehr.
es ist schon ein glück für den leser, dass Karin Ivancsics völlig unromantisch ihr puzzle-spiel voranschreibt. so ist „Restplatzbörse“ ein gut zu lesender roman von einem aufenthalt im touristischen alltag geworden, den keiner und keine so erleben mag, wie er oder sie ihn vielleicht dann doch erlebt haben wollte, später dann, wenn die erinnerungsreste auf gewünschte weise für die wirklichkeit einspringen müssen – und wieder ein urlaub am meer gebucht wird.
(Herbert J. Wimmer, Rezension in: kolik. zeitschrift für literatur Nr. 54, 2011)
Rudolf Kraus: [Rezension von: Karin Ivancsics, „Restplatzbörse“]
Das Leben ist eine Restplatzbörse, so könnte man im Groben Karin Ivancsics' Roman auf den Punkt bringen. Das subsummiert aber auch die Tatsache, dass die wirklich guten Angebote bereits ausgebucht sind und für die ProtagonistInnen in diesem Roman nur die Restplätze übrig bleiben. Da heißt es zuzugreifen, denn auch hier gibt es bessere und schlechtere Angebote. Das gilt für das Leben an sich, für Beziehungen und für Animationen, die in erster Linie von Hormonen gelenkt werden.
Die Figuren sind oftmals klischeehaft belegt, sei es Erich, der in seinem burgenländischen Heimatort eine kleine Leihbibliothek aufgebaut hat und gerne seine Freizeit in der Wiener Hauptbücherei am Gürtel verbringt. Oder Birte und Veronika, zwei sympathische Urlauberinnen auf der Suche nach stereotypen Abenteuern und Urlaubsglück. „Ich habe bereits als Jugendliche nicht verstanden, was Männer an ihren Witzen so überaus komisch finden, selbst wenn sie mir peinlichst genau erklärt wurden, und ich habe mich geweigert darüber zu lachen, was stets als äußerst befremdlich eingestuft wurde.“ Aber so überkommen die Heldinnen und Helden in Ivancsics' Roman auch vordergründig wirken, so stecken dahinter Individuen, und die Autorin macht auch keinen großen Hehl daraus, dass sie sehr wohl Sympathien für die ProtagonistInnen hegt. Denn auch hier gibt es ein Quäntchen Glück, das bekanntlich manches Mal mehr bewirkt als die großen Würfe, die das Leben üblicherweise vorenthält.
Karin Ivancsics ist eine Reisende und lässt uns an ihren Beobachtungen teilhaben, die vor allem auf die Menschen gerichtet sind.
(Rudolf Kraus, Rezension in: Podium Nr. 163/164 [?], Mai 2012)
Angelo Algieri: [Rezension von: Karin Ivancsics, „Restplatzbörse“]
Der Albtraum eines jeden Urlaubers: Der Rückflieger wird storniert. Termine und Verabredungen platzen. Schlimmer noch: Man bringt Touristen in einem Hotel am Flughafen unter – mit trostlosem Blick auf die Start- und Landebahnen. Wilde Spekulationen unter den Urlaubern machen die Runde. Zudem zermürbt die Ungewissheit, wie es weitergehen soll.
So die Ausgangssituation in Karin Ivancsics' Roman „Restplatzbörse“. Die Autorin, Jahrgang 1962, ist gebürtige Burgenländerin. Sie hat seit 1989 acht Romane und Novellen vorgelegt und etliche Stipendien bekommen, darunter das Österreichische Staatsstipendium und das Stipendium des Berliner Senats im Literarischen Colloquium Berlin.
Zurück zum aktuellen Text. Er zeichnet sich nicht über eine stringente Handlung aus, sondern vielmehr durch lose Spotlight-Szenen. Im Fokus werden die letzten zwei Wochen eines Urlaubs-Camps erzählt – ergänzt durch persönliche Erlebnisse der Figuren. Daneben lässt Ivancsics auch Kapitel zu, die Werbung für solch einen Club machen.
Verschiedenste Stimmen prasseln im Lauf der Handlung auf den Leser ein. Und das aus verschiedenen Erzählperspektiven. So gibt es eine Ich-Erzählerin, die die Geschichte trägt. Dazwischen Kaptiel in der dritten Person oder in der Du-Perspektive. Die meisten Urlauber sind wegen des Tauchangebots im Club, der sich in einem nicht genannten warmen Land befindet. Es scheint ein abgeschottetes Urlaubsresort zu sein. Die Reisenden sind dort, um „unter sich“ Spaß zu haben und das eine oder andere Sex-Abenteuer zu suchen. Dafür sorgt auch meist der Tauchlehrer und Sunny-Boy Ulli.
Geschiedene, Gebeutelte, Träumer, Glückssucher und Abenteurer – das ist in etwa das Figuren-Spektrum, das uns Ivancsics vorstellt. Sie wirken trotz guter Jobs und Lebenserfahrung orientierungslos. Lassen sich von Trugbildern leiten, wissen nicht, wie sie mit ihrem privaten Scherbenhaufen umgehen sollen. Der Urlaub soll sie auf andere Gedanken bringen. Doch am Ende müssen einige feststellen, dass sie keinen Deut weitergekommen sind.
Zudem weist uns die Autorin auf Ambivalentes hin: Beispielsweise durch Herbert, der am letzten Tag kurz vor der Abreise fehlt. Es stellt sich später heraus, dass er dem Club entflohen ist. Er fuhr mit einem einheimischen Fischerboot und genoss die einfache Arbeit der Fischer, ihre Freundlichkeit und das „Erfahren einer anderen Kultur“, was ihm im Club verwehrt worden war. Das Ambivalente besteht nun darin, dass Herbert sich einerseits vom Kolletiv-Urlaub emanzipiert, andererseits lediglich seiner verklärt-romantischen Sehnsucht nachgeht. Denn er ist nur Beobachter auf dem Boot. Ein interkultureller Austausch findet nicht statt. Auch hinterfragt er nicht, weshalb die Fischer arm sind oder weshalb der Wohlstand des Clubs nicht auf die Region übergeht. Groteskerweise wird von der Hotelanlage sogar davon abgeraten, Produkte von den Einheimischen zu kaufen. Ähnlich kritisch betrachtet etwa Hans Platzgumer diese Arroganz des Westens in seinem jüngst erschienen Roman „Trans-Maghreb“ (Rezension ebf. im Buchmagazin).
Ivancsics entlarvt in ihrem Text „Restplatzbörse“ sowohl die Illusion der Werbung als auch die inneren Illusionen bzw. verkitschten Sehnsüchte. In nüchterner und lakonischer Sprache analysiert sie die Situation und verleiht zugleich dem Text eine subtil-ironische Note.
Ein desillusionierendes Buch, das ungelöste Widersprüchlichkeiten aufzeigt und Oberflächlichkeiten vergegenwärtigt. – Genau der richtige Text für die anstehende Urlaubszeit!
(Angelo Algieri, Rezension im Buchmagazin des Literaturhaus Wien veröffentlicht am 28. Juni 2012)
http://www.literaturhaus.at/index.php?id=9581
Helmuth Schönauer: [Rezension von: Karin Ivancsics, „Restplatzbörse“]
Auf der Restplatzbörse werden in der Tourismus-Branche einerseits übrig gebliebene Betten gehandelt, andererseits werden dabei sogenannte Gesamt-Schnäppchen-Urlaube vermittelt.
In Karin Ivancsics Roman „Restplatzbörse“ geht es vordergründig um diese billige Art Urlaub zu machen. Aber schon beim zweiten Hinsehen stellen sich die Figuren als „billige“ Typen heraus, die vom Leben schlecht behandelt worden sind und sich wie übrig gebliebene Individuen fühlen.
Die Billigbörse benützen diese Helden zur Buchung des Urlaubs, der Hotels und generell der Beziehungen. Im Jargon von Web-Seiten werden verlockende Abenteuer angeboten, Ausflüge zu ausgefransten Sehenswürdigkeiten in die Wege geleitet und Animationen jeglicher Art mit den passenden Hormonen unterlegt.
Die Figuren entsprechen diesen Klischee-Angeboten, manchmal lassen sie sich auch auf eine einzige Eigenschaft reduzieren wie etwa Erich, der im Burgenland eine kleine Leihbibliothek führt. Nicht nur das Leben ist streng geordnet und alphabetisch aufgestellt wie Bücher in einem Regal, auch die Urlaube verlaufen ritualisiert und gestatten Erholung auf Kommando. Wenn man aus dieser Ordnung ausbricht, gibt es Verstörung.
„Ein einziges Mal in seinem Leben war er in die Berge gereist, nach Tirol, zur Abwechslung, hatte er sich gedacht, er war allerdings gezwungen gewesen, seinen Aufenthalt vorzeitig abzubrechen, da er mit schwerer Atemnot zu kämpfen hatte, die Sicht war ihm versperrt in diesem engen Tal und die Massen von Steinen, Felsen und Gebirgen drückten ihm aufs Herz.“ (126)
Ein gewisser Ulli hat das Tauchen zu seinem Lebenssinn gemacht, freilich gehört dabei auch an Land das Abschleppen von Girls dazu, wobei es einen strengen Ehrenkodex gibt, wer zuerst abschleppt, zieht die Sache auch durch.
Frauen sind oft wie aus dem Freizeitkatalog geschnitten und haben vor allem eines, einen Namen, der gut zur Bildunterschrift passt. Birte oder Veronika sind sympathische Katalog-Frauen, die das Leben genau so nehmen, wie es im Angebot beschrieben ist.
So heißt denn auch der innere Impuls: „Das Dating kann beginnen“ (148)
Das ganze Leben ist letztlich eine Restplatzbörse, die guten Sachen sind immer schon weg, und wer klug ist, hat gelernt, zu nehmen, was übrig bleibt.
Karin Ivancsics ironisiert die Welt der Billigangebote und günstigen Glücksverheißungen, wobei sie durchaus auf der Seite der Restplatz-Helden steht. Vielleicht spielt sich das wahre Leben wirklich dort ab, wo das Trippel-A und das Premium-Glück nicht hinkommen. – Eine witzige Anleitung für das Untergrund-Glück.
(Helmuth Schönauer, Rezension vom 10. Oktober 2011)
http://www.biblio.at/rezonline/ajax.php?action=rezension&medid=125837&rezid=37838
Weitere Bücher des Autor*s im Verlag:
Anna hat zwei Tage
Die Gastgeberin
Muss das schön sein im Toten Meer Toter Mann zu spielen
Süß oder scharf